Mietverträge und Kollusion – hohe Hürden für die Unwirksamkeit
Mit seinem Urteil vom 26.03.2025 (Az.: VIII ZR 152/23) hat der Bundesgerichtshof (BGH) über die Unwirksamkeit eines Wohnraummietvertrags aufgrund kollusiven Zusammenwirkens zwischen dem damaligen Geschäftsführer der Vermieterin und der Mieterin entschieden. Der BGH hat die Entscheidung des Landgerichts Berlin (LG Berlin, Urteil vom 28.06.2023, Az.: 64 S 105/22) aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung an das LG Berlin zurückverwiesen.
Gemäß dem zugrunde liegenden Sachverhalt bewohnen die Beklagten seit Dezember 2017 eine 177 m² große 5-Zimmer-Wohnung in Berlin, die im Eigentum der Klägerin, einer GmbH, stand. Der Mietvertrag zwischen der Beklagten (Mieterin) und dem damaligen alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerin sah eine monatliche Nettokaltmiete von 600 EUR vor, was deutlich unter der ortsüblichen Vergleichsmiete lag.
Die Klägerin, nunmehr vertreten durch einen neuen Geschäftsführer, forderte die Räumung der Wohnung und argumentierte, dass der Mietvertrag aufgrund eines kollusiven Verhaltens des ehemaligen Geschäftsführers und des Mieters zustande gekommen sei und zudem wegen der niedrigen Miete gegen die „guten Sitten“ verstoße.
Der BGH hat festgestellt, dass das Berufungsgericht fehlerhaft angenommen hatte, der Mietvertrag sei aufgrund eines kollusiven Zusammenwirkens unwirksam. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH verstößt ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter im bewussten Zusammenwirken mit dem anderen Vertragsteil zum Nachteil des Vertretenen (kollusiv) abschließt, gegen die guten Sitten und ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig. Auch wenn kein Fall der Kollusion vorliege, müsse der Vertretene ein von seinem Vertreter abgeschlossenes Rechtsgeschäft nicht gegen sich gelten lassen, wenn der andere Vertragsteil den Missbrauch der Vertretungsmacht erkannt habe oder diesen hätte erkennen müssen. In einem solchen Fall sei der andere Vertragsteil gemäß § 242 BGB wegen unzulässiger Rechtsausübung gehindert, sich auf die Wirksamkeit des Rechtsgeschäfts zu berufen.
Der BGH hat betont, dass im vorliegenden Fall nicht ausreichend nachgewiesen wurde, dass die Beklagte (Mieterin) mit dem damaligen Geschäftsführer der Klägerin in bewusster Absprache gehandelt habe, um der Klägerin zu schaden. Für die Annahme eines solchen Zusammenwirkens seien klare Beweise erforderlich, die im vorliegenden Fall nicht erbracht worden seien.
Darüber hinaus hat der BGH die Annahme einer unzulässigen Rechtsausübung durch die beklagte Mieterin verworfen, da es an den notwendigen Feststellungen fehlte, die eine solche Annahme stützen könnten. Der BGH hat hervorgehoben, dass die Mieterin nicht verpflichtet gewesen sei, die internen Beschränkungen der Vertretungsmacht des Geschäftsführers zu hinterfragen.
Das Urteil des BGH verdeutlicht die bestehenden strengen Anforderungen an den Nachweis von kollusivem Verhalten und die Notwendigkeit, klare Beweise für eine sittenwidrige Abrede zu führen.
Rechtliches Gehör im Zivilprozess: BGH mahnt Gerichte zur sorgfältigen Prüfung
Die Entscheidung des BGH vom 19.03.2025 (Az.: VII ZR 231/23) verdeutlicht die grundlegende Bedeutung des rechtlichen Gehörs im deutschen Zivilprozessrecht. Im Zusammenhang mit der Geltendmachung von Verzugsschäden (hier u. a. Mietausfallschäden) im Rahmen eines gekündigten Generalunternehmervertrags hat sich der BGH mit dem Anspruch auf rechtliches Gehör befasst. Dieses Verfahrensgrundrecht verlangt, dass die Gerichte das Parteivorbringen nicht nur zur Kenntnis nehmen, sondern auch in ihre Entscheidung einbeziehen und angemessen begründen.
Im vorliegenden Fall hatte die Beklagte Schadensersatzansprüche u. a. wegen Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins geltend gemacht. Dabei hatte die Beklagte in ihrer Berufungsbegründung im Einzelnen dargelegt, dass aufgrund der verspäteten Fertigstellung des Bauvorhabens eine Vermietung an Mietinteressenten erst zu einem späteren Zeitpunkt möglich gewesen sei. Sie legte eine konkrete Aufstellung der entgangenen Mieten vor, die die Höhe des Mietausfalls substanziiert darlegte. Das Berufungsgericht wies die Klage jedoch ohne Begründung ab. Dies führte nach den Ausführungen des BGH zu einer erheblichen Verletzung des rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG. In diesem Zusammenhang hat der BGH auch klargestellt, dass die Beklagte keinen weiteren Vortrag zum weiteren hypothetischen Geschehensablauf hätte halten müssen.
Die Entscheidung des BGH stärkt damit nicht nur die Rechte der Parteien, sondern erinnert auch die Gerichte an ihre Pflicht, das Vorbringen ernsthaft zu prüfen und in die Entscheidungsfindung einzubeziehen. Der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt als Verfahrensgrundrecht u. a. Fairness und Transparenz des Verfahrens.
„Notparkrecht“ gemäß § 917 BGB
In seinem Urteil vom 14.03.2025 (Az.: V ZR 79/24) hat der BGH die Rechte von Eigentümern „gefangener“ Wohngrundstücke, also solcher ohne Anbindung an eine öffentliche Straße, im Hinblick auf das Notwegrecht gemäß § 917 Abs. 1 BGB gestärkt. Der Fall betraf die Nutzung eines Nachbargrundstücks zur Zufahrt mit Kraftfahrzeugen, insbesondere zum Parken auf dem eigenen Grundstück.
Ausgangspunkt ist § 917 BGB: „Fehlt einem Grundstück die zur ordnungsmäßigen Benutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege, so kann der Eigentümer von den Nachbarn verlangen, dass sie bis zur Hebung des Mangels die Benutzung ihrer Grundstücke zur Herstellung der erforderlichen Verbindung dulden.“
Die Kläger, Eigentümer eines vorderen Grundstücks, hatten der Beklagten, die ein dahinter liegendes Grundstück ohne Anbindung an eine öffentliche Straße besitzt, ein Notwegrecht eingeräumt. Allerdings wollten sie die Nutzung ihres Grundstücks als Zufahrt zum Parken nicht dulden.
Das Landgericht Kiel (Urteil vom 27.10.2023, Az.: 10 O 120/21) verurteilte die Beklagte zur Duldung des uneingeschränkten Notwegrechts, während das Oberlandesgericht Schleswig (Urteil vom 04.04.2024, Az.: 11 U 112/23) lediglich ein Notwegrecht anerkannte, das das Befahren zu Parkzwecken nur in Ausnahmefällen zuließ.
Das hat der BGH jedoch anders gesehen und mit seiner Entscheidung klargestellt, dass das Notwegrecht des Eigentümers eines verbindungslosen („gefangenen“) Grundstücks grundsätzlich auch die Zufahrt mit Kraftfahrzeugen zum Zwecke des Parkens umfasst. Die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen sei für die ordnungsgemäße Nutzung eines Wohngrundstücks notwendig. Eine Einschränkung des Notwegrechts würde zu erheblichen Abgrenzungsschwierigkeiten und Rechtsunsicherheit führen. Es sei unerheblich, zu welchem Zweck der Notwegberechtigte sein Grundstück anfährt, sei es zum Parken oder zum Be- und Entladen.
Mit dieser Entscheidung hat der BGH eine umstrittene Rechtsfrage geklärt, die sogar innerhalb der Senate des OLG Schleswig diskutiert wurde, und stärkt damit die Rechte von Eigentümern in vergleichbaren Situationen.
Beginn des Mietvertrags bedingungsabhängig: Was passiert in der Zwischenzeit?
In einer weiteren Entscheidung hat sich der BGH am 12.03.2025 (Az.: XII ZR 76/24) mit der Vereinbarung von Bedingungen im Hinblick auf die Mietzeit, insbesondere die rechtliche Bewertung der Schwebezeit vor dem Bedingungseintritt, befasst.
In dem zugrunde liegenden Sachverhalt schloss die Rechtsvorgängerin des Beklagten mit der Klägerin einen Nutzungsvertrag über eine landwirtschaftlich genutzte Fläche, die für den Betrieb von Windenergieanlagen (WEA) vorgesehen war. Der Vertrag sah u. a. Folgendes vor:
„Der Vertrag beginnt mit der Unterzeichnung durch beide Vertragsparteien. Der in § 1 bezeichnete Grundbesitz wird mit Baubeginn zur Verfügung gestellt. Der Vertrag endet gerechnet ab dem 31.12. des Jahres, in dem die Inbetriebnahme der letzten geplanten WEA erfolgt ist, nach Ablauf von 20 Jahren.“
Nach der Kündigung des Nutzungsvertrags durch den Beklagten beantragte die Klägerin, dass der Beklagte bei einem Notar bestimmte Erklärungen abgeben solle.
Das Landgericht Magdeburg (Urteil vom 11.01.2023, Az.: 10 O 1044/22) gab der Klage in vollem Umfang statt, während das Oberlandesgericht Naumburg (Urteil vom 25.01.2024, Az.: 9 U 17/23) die Berufung des Beklagten zurückwies. Der Beklagte legte Revision ein, die jedoch keinen Erfolg hatte.
Der BGH hat zunächst festgestellt, dass das Ereignis (Baubeginn), das den Beginn der vereinbarten festen Vertragslaufzeit bestimme, noch nicht eingetreten sei. Die Beurteilung, ob in der bis zum Eintritt des Ereignisses bestehenden Schwebezeit ein befristetes Mietverhältnis vorliege, hänge davon ab, welche rechtliche Bedeutung die Vertragsparteien dieser Regelung beimessen:
- Befristung: Gehen die Vertragsparteien bei Vertragsschluss davon aus, dass das Ereignis eintreten werde und nur der Zeitpunkt, wann dies der Fall sein werde, ungewiss sei, liege in der Regel eine Befristung gemäß § 163 BGB vor. In diesem Fall wäre die Mietzeit bestimmt und damit gem. § 542 Abs. 2 BGB die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung auch bis zum Beginn der vereinbarten Laufzeit ausgeschlossen.
- Aufschiebende Bedingung: Sei aus Sicht der Vertragsparteien bei Vertragsschluss hingegen nicht nur ungewiss, wann, sondern auch ob das Ereignis eintreten werde, liege eine aufschiebende Bedingung gemäß § 158 Abs. 1 BGB vor. Die Vertragsbindung bestehe dann bereits ab dem Zeitpunkt des Vertragsschlusses, die fest vereinbarte Mietzeit beginne jedoch erst mit dem Eintritt der aufschiebenden Bedingung. In diesem Fall wäre die Mietzeit bis zum Eintritt der Bedingung unbestimmt und der Vertrag könnte grundsätzlich durch eine ordentliche Kündigung beendet werden. (Erst) Nach dem Bedingungseintritt sei die Vertragslaufzeit befristet und eine ordentliche Kündigung vor dem Laufzeitende scheide nach § 542 Abs. 2 BGB aus.
Aufgrund der weiteren vertraglichen Vereinbarung im Nutzungsvertrag hat der BGH in dem streitgegenständlichen Fall entschieden, dass das Recht zur ordentlichen Kündbarkeit des Nutzungsvertrags bis zum Beginn der festen Vertragslaufzeit ausgeschlossen war.
Diese Entscheidung verdeutlicht die Komplexität bei der Gestaltung von Mietverträgen mit Bedingungen und hebt die Bedeutung einer interessengerechten Auslegung des Vertrags zur Ermittlung des mutmaßlichen Parteiwillens hervor.
Mit Blick auf die BGH-Entscheidung ist daher zu empfehlen, in Mietverträgen mit einer unbefristeten Phase (vor Beginn der vereinbarten Vertragslaufzeit) ausdrücklich einen Kündigungsausschluss für die ordentliche Kündigung auch für den Zeitraum vor Beginn der Festmietzeit aufzunehmen.
Update zum Dauerbrenner Mietpreisbremse
Der vom Bundesrat beschlossene „Entwurf eines Gesetzes zur Verlängerung der Mietpreisbremse“ bis zum 31.12.2029 (jetzt Drucksache des Deutschen Bundestages – 21/17) soll dem neu konstituierten 21. Deutschen Bundestag zur Beschlussfassung vorgelegt werden (Bedeutende Entwicklungen aus dem Immobiliensektor – Update April 2025).
Die Mietpreisbremse wurde im Jahr 2015 eingeführt und läuft nach aktueller Rechtslage am 31.12.2025 aus. Der von der alten Bundesregierung am 11.12.2024 auf den Weg gebrachte Gesetzentwurf zur Änderung der Regelungen über die zulässige Miethöhe bei Mietbeginn fand im Parlament keine Mehrheit und wurde daher in der 20. Legislaturperiode nicht verabschiedet. Im Koalitionsvertrag haben sich die Parteien darauf verständigt, die Mietpreisbremse in angespannten Wohnungsmärkten um vier Jahre (also bis 31.12.2029) zu verlängern und darüber hinaus bis zum 31.12.2026 in einer Expertengruppe die Harmonisierung von mietrechtlichen Vorschriften, eine Reform zur Präzisierung der Mietwucher-Vorschrift im Wirtschaftsstrafgesetz und eine Bußgeldbewehrung bei Nichteinhaltung der Mietpreisbremse vorzubereiten (vgl. Ziffern 779–783 des Koalitionsvertrags zwischen CDU, CSU und SPD für die 21. Legislaturperiode „Verantwortung für Deutschland“). Vor diesem Hintergrund ist davon auszugehen, dass der Vorschlag des Bundesrates – zumindest in dieser Form – nicht die Zustimmung des Bundestages finden wird.