Einleitung
Die Empfehlung der Kommission vom 15.01.2025 ist Bestandteil einer EU-Strategie, mit der – vor dem Hintergrund zunehmender geopolitischer Spannungen – bestimmte Wirtschaftstätigkeiten zum Schutz der Sicherheit der EU und ihrer Mitgliedstaaten stärker kontrolliert werden sollen. Die Empfehlung behandelt dabei insbesondere diejenigen Risiken, die durch den Abfluss fortschrittlicher Technologien im Zusammenhang mit Transaktionen in Drittstaaten entstehen können. Zu diesen fortschrittlichen Technologien zählt die Kommission die Halbleitertechnologien, die Technologien der künstlichen Intelligenz und die Quantentechnologie.
Die Empfehlung soll es erlauben, systematisch Daten über bestimmte Investitionstransaktionen in Drittstaaten zu erheben und so etwaige Sicherheitsrisiken zu ermitteln bzw. zu bewerten. Auf der Basis dieser Überprüfung soll eine fundierte, faktengestützte Grundsatzdiskussion ermöglicht werden. Das bedeutet, dass es zunächst darum geht, eine ausreichende Entscheidungsgrundlage für mögliche Maßnahmen zum Schutz der Sicherheit der EU und der Mitgliedstaaten im Zusammenhang mit Outbound Investments zu schaffen. Ein solches Kontrollregime für Outbound Investments könnte dann neben der Fusionskontrolle, der Investitionskontrolle (Foreign Direct Investment Law, FDI) und der Foreign Subsidies Regulation (FSR) eine vierte Hürde darstellen.
Nachfolgend lesen Sie, welche Unternehmenstransaktionen auf der Basis der Empfehlung nun in den Fokus geraten und dementsprechend in Zukunft einem zusätzlichen Kontrollregime unterworfen werden könnten. Um es noch einmal zu betonen: Die Kommission spricht in der Empfehlung lediglich von möglichen Maßnahmen zur Minderung potenzieller Risiken, Abhilfemaßnahmen oder davon, dass die ermittelten Risiken durch bestehende oder neue Instrumente auf nationaler oder Unionsebene abgemildert werden könnten. Es bleibt abzuwarten, ob sich aus der Überprüfung der Investitionstransaktionen konkrete Maßnahmen ergeben.
Die Überprüfung soll zwar „länderneutral“ erfolgen, allerdings ist vor dem Hintergrund der geopolitischen Spannungen klar, dass die Mitgliedstaaten bestimmte Drittstaaten mit erhöhter Priorität in den Fokus nehmen können.
Schließlich werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, im Rahmen ihrer Überprüfungstätigkeit auch einschlägige Unternehmen zu konsultieren, d. h. Unternehmen um Auskünfte zu Outbound Investments zu bitten.
Investitionstransaktionen in Drittstaaten
Von einer Investition in einem Drittstaat spricht die Empfehlung, wenn ein in der EU ansässiger oder niedergelassener Investor (d. h. eine natürliche oder eine juristische Person) beabsichtigt, eine Wirtschaftstätigkeit im Zusammenhang mit den von der Empfehlung erfassten Technologiebereichen (Halbleiter, künstliche Intelligenz, Quantentechnologien) in einem Drittstaat auszuüben. Als Beispiele für solche Investitionen führt die Empfehlung sodann die klassischen Konstellationen einer Unternehmenstransaktion auf, also
- den Erwerb einer (kontrollierenden) Beteiligung an einem Unternehmen,
- die Fusion von Unternehmen,
- den Erwerb von Vermögenswerten eines Unternehmens,
- die erstmalige Geschäftsgründung (sog. Greenfield-Investition),
- die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens und
- die Bereitstellung von Kapital in Verbindung mit bestimmten immateriellen Vorteilen (Risikokapital).
Auch indirekte Investitionen können unter die Empfehlung fallen. Gemeint sind hiermit vermeintlich nicht vom Wortlaut erfasste „Umgehungslösungen“ – etwa Investitionen über eine bereits in einem Drittstaat bestehende Zweckgesellschaft.
Explizit nicht erfasst werden von der Empfehlung Nebendienstleistungen im Rahmen einer Transaktion (etwa Bankkredite) und der Erwerb von (bloßen) Minderheitsbeteiligungen, soweit diese sich auf die Erzielung einer Rendite aus dem investierten Kapital beschränken.
In zeitlicher Hinsicht geht es um neue bzw. laufende Transaktionen und um solche, die seit dem 01.01.2021 abgeschlossen wurden. Im Falle „besonders besorgniserregender Transaktionen“ können die Mitgliedstaaten aber auch ältere Transaktionen überprüfen.
Mögliche Fragen an Unternehmen und Risikobewertung
Die Kommission gibt den Mitgliedstaaten vor, welche Informationen sie nun im Rahmen ihrer Überprüfungstätigkeit erheben sollten. Dabei ist zu beachten, dass die Empfehlung für die Mitgliedstaaten zwar unverbindlich ist, die Beantwortung der Fragen des jeweiligen Staates durch die Unternehmen aber durchaus verpflichtend sein kann. Dies hängt davon ab, welche Rechtsgrundlagen der Mitgliedstaat für diese Befragung nutzen will.
Erhoben werden sollen von den Mitgliedstaaten ausreichende Informationen, um die Risiken zu bewerten, die sich aus den unterschiedlichen Transaktionen und Tätigkeiten sowie in Bezug auf die beteiligten Rechtsträger ergeben können. Umfasst werden hiervon Informationen über
- die Parteien des Investitionsgeschäfts,
- die Art und den ungefähren Wert der Investition,
- die von der Investition betroffenen Produkte und Technologien,
- alle im Rahmen der Investition erfolgten vertraglichen Vereinbarungen über Forschung und Entwicklung, Lizenzen für geistiges Eigentum und Schlüsselpositionen betreffende Personalbewegungen,
- das Datum, an dem die Investition abgeschlossen werden soll oder abgeschlossen wurde,
- frühere und angekündigte Transaktionen, die von den an der Investitionstransaktion beteiligten Parteien getätigt wurden, und
- öffentliche Mittel, die dem investierenden Rechtsträger von der EU oder einem Mitgliedstaat speziell für die betreffenden Technologiebereiche bereitgestellt werden.
Basierend auf diesen Informationen sollen die Mitgliedstaaten dann (mit Unterstützung der Kommission) für jede zu überprüfende Transaktion bewerten, ob Risiken für die wirtschaftliche Sicherheit bestehen. Dabei macht die Kommission einige Vorgaben für den Umfang der Risikobewertung, räumt aber gleichzeitig ein, dass die insoweit anzuwendende gemeinsame Methodik noch zu entwickeln ist.
Zu erwartendes Ergebnis
Die Mitgliedstaaten sollen der Kommission und den anderen Mitgliedstaaten bis zum 30.06.2026 einen umfassenden Bericht über die Durchführung der Empfehlung einschließlich der Ergebnisse der Überprüfung und der Risikobewertung vorlegen. Auf dieser Grundlage sollen die Mitgliedstaaten und die Kommission zu einem gemeinsamen Verständnis der Risiken gelangen.
Damit bleibt zunächst offen, welche Folgemaßnahmen sich an die Durchführung der Empfehlung anschließen werden.