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Merkblatt zur Einflussnahme von Anlegern auf Investmentvermögen


Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat am 14.03.2025 den Entwurf eines Merkblattes zur Einflussnahme von Anlegern auf Investments und Desinvestments von Investmentvermögen – umgangssprachlich auch als Investmentfonds bezeichnet – zur Konsultation veröffentlicht. Die Grenze zwischen einer aufsichtsrechtlich zulässigen und einer unzulässigen Einflussnahme sieht die BaFin als fließend. Das Merkblatt erläutert daher, in welchem Umfang Anleger die Anlageentscheidung einer Kapitalverwaltungsgesellschaft für Rechnung des Investmentvermögens beeinflussen dürfen.

Anknüpfungspunkt der BaFin – Grundsatz der Fremdverwaltung

Anknüpfungspunkt der BaFin für den Entwurf des Merkblatts ist § 17 Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Nach § 17 Abs. 1 KAGB ist die Kapitalverwaltungsgesellschaft ein Unternehmen, dessen Geschäftsbetrieb darauf gerichtet ist, Investmentvermögen zu verwalten. Daraus ergibt sich, dass nicht die Anleger das Investmentvermögen verwalten (keine Eigenverwaltung), sondern die Kapitalverwaltungsgesellschaft. Diese trägt für die Einhaltung der Regelungen des KAGB die Verantwortung (Fremdverwaltung).

Die BaFin stellt klar, dass der Gegenstand ihres Merkblattes weder der Begriff des Investmentvermögens nach § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB ist noch die Frage betrifft, ob und inwieweit eine zu weitreichende Einflussnahme von Anlegern dazu führt, dass kein Investmentvermögen mehr vorliegt.

Insgesamt leitet die BaFin aus § 17 KAGB ab, dass eine zu bedeutsame Einflussnahme der Anleger auf die Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen der Kapitalverwaltungsgesellschaft für Rechnung von Investmentvermögen nicht mit dieser Vorschrift vereinbar ist.

Der Grundsatz der Fremdverwaltung im Investmentrecht wird im Wesentlichen im Hinblick auf die Auslegung des Begriffs des Investmentvermögens, auch im Zusammenhang mit der Auswirkung auf die steuerliche Eigenverwaltung und auf deren Auslegung, diskutiert. Der Begriff ist in § 1 Abs. 1 Satz 1 KAGB rechtlich definiert. Demnach ist ein Investmentvermögen jeder Organismus für gemeinsame Anlagen, der von einer Anzahl von Anlegern Kapital einsammelt, um es gemäß einer festen Anlagestrategie zum Nutzen dieser Anleger zu investieren, und der kein operativ tätiges Unternehmen außerhalb des Finanzsektors ist. Dem Begriff des Organismus für gemeinsame Anlagen ist der sog. Fremdverwaltungsgrundsatz nach allgemeiner rechtlicher Auffassung immanent.

Inhalt des Merkblattes

Die BaFin stellt basierend auf den vorherigen Ausführungen fest, dass die Letztentscheidung darüber, welche Vermögensgegenstände für ein Investmentvermögen angeschafft oder veräußert werden, die Kapitalverwaltungsgesellschaft – bzw. bei Auslagerung an einen Portfolioverwalter dieser – treffen muss. Ist dies nicht der Fall, ist die Einflussnahme des Anlegers aufsichtsrechtlich unzulässig und stellt einen Verstoß gegen § 17 KAGB dar. Die Folge ist, dass die BaFin zur Einhaltung dieser Anforderung Anordnungen treffen kann, die zu ihrer Durchsetzung geeignet und erforderlich sind.

Im Merkblatt konkretisiert die BaFin ihre Auffassung durch nicht abschließende Beispiele, die eine aufsichtsrechtliche Einordnung ermöglichen sollen. Sie weist jedoch darauf hin, dass eine Bewertung der einzelnen Merkmale im Einzelfall erforderlich bleibt.

Weisungen von Anlegern in Bezug auf Einzeltitel

Weisungen der Anleger zum Kauf oder Verkauf von Einzeltiteln sind nicht mit § 17 KAGB vereinbar und somit unzulässig. In diesen Fällen liegt die Letztentscheidung nicht mehr bei der Kapitalverwaltungsgesellschaft bzw. dem Portfolioverwalter.

Vetorechte und Zustimmungsvorbehalte von Anlegern

Nicht zulässig sind zudem Vetorechte und Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Bezug auf Einzeltitel. Die BaFin argumentiert, dass in diesem Fall nicht die Kapitalverwaltungsgesellschaft bzw. der Portfolioverwalter die Letztentscheidung trifft, sondern der Anleger, indem dieser sein Veto einlegt oder seine Zustimmung verweigert und hierdurch die Entscheidung zur Anschaffung oder Veräußerung eines Vermögensgegenstandes blockiert.

Unproblematisch sind nach dem Merkblatt aber Vetorechte und Zustimmungsvorbehalte von Anlegern in Anlageausschüssen, die sich auf die abstrakte Festlegung der Anlagestrategie im Rahmen der vertraglich vereinbarten Anlagerichtlinien beziehen (z. B. Investitionen in bestimmte Wertpapiertypen, Investition in bestimmte Regionen, Branchen usw.). Die Einflussnahme der Anleger beschränkt sich hier auf grundsätzliche und strategische Fragen, während die Letztentscheidung über die konkreten Anlageentscheidungen bei den Kapitalverwaltungsgesellschaften bzw. den Portfolioverwaltern verbleiben.

„Investmentideen“ oder „Empfehlungen“ der Anleger

Zudem sind Investmentideen oder Empfehlungen von Anlegern unproblematisch und zulässig, solange sie unverbindlich sind und somit keine indirekten Weisungen darstellen. Ob eine indirekte Weisung vorliegt, muss anhand der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden. Indizien, die auf eine indirekte Weisung hindeuten könnten, sind beispielsweise eine Eins-zu-eins-Übernahme von Anlegerempfehlungen ohne eigene Recherche oder eine materielle Bewertung der Chancen und Risiken oder wenn die Initiative für die Anschaffung oder Veräußerung von Vermögensgegenständen kontinuierlich von den Anlegern ausgeht.

Dokumentationspflichten

Eine wesentliche Neuerung der aufsichtsrechtlichen Verwaltungspraxis durch die BaFin sind die im Merkblatt enthaltenen Ausführungen zur Dokumentationspflicht der Kapitalverwaltungsgesellschaften. Die BaFin verlangt, dass die Kapitalverwaltungsgesellschaften jede Form der Einflussnahme von Anlegern auf die Investitionen und Desinvestitionen des Investmentvermögens dokumentieren. Dies gilt unabhängig davon, ob eine Einflussnahme aufsichtsrechtlich zulässig ist oder nicht. Empfehlungen im Rahmen von Anlageausschüssen sind ebenfalls zu dokumentieren und zukünftige Sitzungen von Anlageausschüssen zu protokollieren.

Die BaFin leitet die neue Pflicht aus § 28 KAGB (allgemeine Organisationspflichten) sowie der Pflicht zur Aufrechterhaltung einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation und zur Dokumentation der Geschäftsabläufe ab. Ein Verstoß gegen § 28 KAGB kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Die neue Dokumentationspflicht soll ab Veröffentlichung des finalen Merkblattes gelten, sowohl für Kapitalverwaltungsgesellschaften als auch für die vertraglich zu verpflichtenden Portfolioverwalter.

Stellungnahme des BVI

Der Inhalt des Merkblattes hat im Markt erhebliche Kritik hervorgerufen. Insbesondere der BVI Bundesverband Investment und Asset Management e. V., der die Interessen von Kapitalverwaltungsgesellschaften und Portfolioverwaltern in Deutschland vertritt, hat umfassende Anpassungen gefordert. In seiner Stellungnahme zum Entwurf des Merkblattes äußert er, dass die gewachsene Kooperation zwischen institutionellen Anlegern und Kapitalverwaltungsgesellschaften durch den Inhalt des Merkblattes „erheblich gestört“ und in weiten Teilen „unmöglich gemacht“ werde. Sogar ein Abwandern der betroffenen Investmentvermögen an Standorte wie Luxemburg wäre die Folge. Besonders kritisiert wurde, dass im Rahmen des Merkblattes die in Gesellschaftsform erfassten Investmentvermögen und deren rechtliche Besonderheiten nicht ausreichend gewürdigt wurden, um eine Kollision mit handels- und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben zu vermeiden.

Fazit

Es ist zu bezweifeln, dass der Entwurf des Merkblattes in der finalen Fassung inhaltlich mit der Entwurfsfassung übereinstimmen wird. Kapitalverwaltungsgesellschaften sollten sich dennoch bereits jetzt mit den Dokumentationspflichten auseinandersetzen, um einen etwaigen Anpassungsbedarf zu ermitteln. Unabhängig von der dargestellten Kritik entspricht der Entwurf des Merkblattes, mit Ausnahme der Dokumentationspflicht, bereits weitgehend der marktüblichen Praxis.

Kontaktperson: Stephan Reiss, CCP