An upward view of modern office buildings in a UK city, with sunlight shining through the glass windows.

Kartelle auf dem Arbeitsmarkt und Minderheitsbeteiligungen an Wettbewerbern


Die Europäische Kommission („die Kommission“) hat am 02.06.2025 Geldbußen in Höhe von insgesamt 329 Mio. EUR gegen zwei Unternehmen wegen Bildung eines Kartells auf dem Markt für die Auslieferung von Speisen auf Online-Bestellung verhängt.

Der Fall stellt für die Kommission eine doppelte Premiere dar: So betraf der Fall erstmals ein Kartell auf dem Arbeitsmarkt und die kartellrechtswidrige Ausnutzung einer Minderheitsbeteiligung an einem Wettbewerber.

Überblick

Die Kommission hat Geldbußen gegen zwei Unternehmen wegen Bildung eines Kartells auf dem Markt für die Auslieferung von Speisen auf Online-Bestellung verhängt. Das kartellrechtswidrige Verhalten der bebußten Unternehmen bestand in

  • der Vereinbarung, sich nicht gegenseitig Personal abzuwerben,
  • dem Austausch sensibler Geschäftsinformationen und
  • der räumlichen Aufteilung von Märkten.

Während der Austausch sensibler Geschäftsinformationen und die Marktaufteilung (hier in geografischer Hinsicht) zu den regelmäßig sanktionierten kartellrechtswidrigen Verhaltensweisen von Unternehmen zählen, sind auf Arbeitnehmer bezogene Kartellabsprachen ein relativ neues Thema. Hinzu kommt, dass eines der Unternehmen eine Minderheitsbeteiligung an dem anderen Unternehmen in kartellrechtswidriger Art und Weise ausgenutzt haben soll. Minderheitsbeteiligungen zwischen Wettbewerbern stellen in der Praxis keine Seltenheit dar. Es kann viele gute Gründe geben, warum solche Minderheitsbeteiligungen bestehen bzw. angestrebt werden – etwa im Zusammenhang mit der Bildung eines Gemeinschaftsunternehmens. Aus der kartellrechtlichen Compliance-Perspektive bringt die Kommission mit diesem Fall mehr Licht ins Dunkel, unter welchen Umständen Minderheitsbeteiligungen zwischen Wettbewerbern Teil eines Kartellrechtsverstoßes werden können.

Nachfolgend werden die von der Kommission im hier zugrunde liegenden Fall ermittelten Kartellrechtsverstöße im Einzelnen dargestellt. Dabei soll ein besonderes Augenmerk auf die personalbezogene Absprache und die Rolle der Minderheitsbeteiligung zwischen den beiden Unternehmen liegen.

Keine Abwerbung von Mitarbeitern

Mit dem Erwerb der Minderheitsbeteiligung des einen Unternehmens an dem anderen verpflichteten sich die beiden Unternehmen dazu, auf die Einstellung bestimmter Mitarbeiter des Wettbewerbers zu verzichten. Diese Regelung wurde kurz darauf zu einem allgemeinen gegenseitigen Abwerbeverbot erweitert. Damit sanktionierte die Kommission eine Vereinbarung, die die Gefahr geringerer Beschäftigungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer mit sich brachte.

Austausch sensibler Geschäftsinformationen

Zu den sensiblen Geschäftsinformationen, die die Unternehmen untereinander austauschten, zählten etwa Informationen über Geschäftsstrategien, Preise, Kapazität, Kosten und Produktmerkmale. Nach Einschätzung der Kommission ermöglichte es dieser Informationsaustausch den Unternehmen, ihr Marktverhalten untereinander anzupassen.

Gegenseitige Abgrenzung räumlicher Märkte

Die Unternehmen vereinbarten zudem, die nationalen Märkte für die Essensauslieferung auf Online-Bestellungen im EWR untereinander aufzuteilen. Sie beseitigten untereinander alle bestehenden räumlichen Überschneidungen. Darüber hinaus sahen beide Unternehmen von Marktzutritten im Gebiet des jeweils anderen ab und vereinbarten, welches der beiden Unternehmen auf Märkten tätig werden sollte, auf denen sie bislang noch nicht vertreten waren. Eine solche Marktaufteilung führt nach Ansicht der Kommission zu weniger Auswahl und höheren Preisen für Verbraucher.

Die Minderheitsbeteiligung

Der zwischen den Unternehmen bestehenden Minderheitsbeteiligung kam nach Ansicht der Kommission eine Art Querschnittsfunktion für sämtliche der vorgenannten Kartellrechtsverstöße zu. So hebt die Kommission hervor, dass alle genannten kartellrechtswidrigen Praktiken durch die Minderheitsbeteiligung des einen Unternehmens an dem anderen erleichtert wurden.

Klarstellend führt die Kommission aus, dass der Besitz einer Beteiligung an einem Wettbewerber an sich nicht rechtswidrig ist. In dem hier vorliegenden Fall ermöglichte die bestehende Beteiligung aber wettbewerbswidrige Kontakte zwischen den beiden konkurrierenden Unternehmen auf mehreren Ebenen. Zudem ermöglichte diese Beteiligung es dem Anteilseigner, Zugang zu sensiblen Geschäftsinformationen zu erhalten, die Entscheidungsprozesse im anderen Unternehmen zu beeinflussen und letztlich die Geschäftsstrategien der beiden Unternehmen aufeinander abzustimmen. Zusammenfassend betont die Kommission, dass Beteiligungsverhältnisse zwischen konkurrierenden Unternehmen kartellrechtliche Risiken bergen und sorgfältig gehandhabt werden sollten. Vereinfacht gesagt geht es der Kommission weniger um das Ob einer Minderheitsbeteiligung als um das Wie, also wie mit der bestehenden Beteiligung umgegangen wird.

Fazit

Der Austausch sensibler Geschäftsinformationen und die Aufteilung von Märkten sind typische Kartellrechtsverstöße. Es wird noch etwas Zeit vergehen, bis auch die Fallgruppe der Beschränkung des Arbeitsmarktes (hier in Gestalt eines gegenseitigen Abwerbeverbots) als typische kartellrechtswidrige Verhaltensweise angesehen wird und in ihrer Abgrenzung zu zulässigen Vereinbarungen klare Konturen gewinnt. Die Entscheidung der Kommission setzt erstmals Maßstäbe.

Dass (Minderheits-)Beteiligungen an Wettbewerbern kartellrechtswidriges Verhalten fördern können, ist nicht überraschend. Solange diese Beteiligung nicht zu einer alleinigen Kontrolle führt, greift das Konzernprivileg nicht und zwischen den Unternehmen gilt das Kartellverbot. Gesellschaftsrechtliche Informationsrechte aus Minderheitsbeteiligungen sollten dann nicht ohne Weiteres genutzt werden, um sensible Geschäftsinformationen auszutauschen. Es ist vielmehr ratsam, Sicherungsmaßnahmen wie Chinese Walls zu etablieren und alle Aktivitäten im Zusammenhang mit dem Wettbewerber kartellrechtskonform zu gestalten.