Businesswoman with headset working at computer in home office

Homeoffice und Weisungsrechte des Arbeitgebers


Das Landesarbeitsgericht (LAG) Köln (Urteil vom 11.07.2024 – Az.: 6 Sa 579/23) hat kürzlich ein wichtiges Urteil zu den Themen Versetzung und Änderungskündigung gefällt. Das Urteil zeigt auf, wie weit das Weisungsrecht von Arbeitgebern reicht und welche Rechte Arbeitnehmer haben, wenn sie versetzt oder ihre Arbeitsbedingungen geändert werden sollen. Das Gericht geht in dem Urteil auf die gesetzlichen Grenzen des Weisungsrechts und den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz im Zusammenhang mit sog. Homeoffice-Regelungen ein.

Sachverhalt

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Versetzung und einer hilfsweisen Änderungskündigung. Der Kläger war seit 2017 bei der Beklagten, einer Gesellschaft im Bereich der industriellen Planung, Entwicklung und Realisierung, beschäftigt. Er erbrachte seine Tätigkeit mit Erlaubnis der Beklagten überwiegend im Homeoffice oder war projektabhängig bei den deutschlandweit verteilten Kunden vor Ort tätig. Sein Einsatzort bezog sich laut Arbeitsvertrag auf die gesamte Unternehmensgruppe und richtete sich nach den laufenden Projekten.

Versetzung und Änderungskündigung

Der Kläger erhielt am 24.03.2023 ein Schreiben mit dem Inhalt, dass er an einen anderen, mehr als 500 Kilometer entfernten Standort versetzt werden solle, da der Standort, an dem er bisher tätig sei, von der Beklagten zum 30.04.2023 geschlossen werde. Ab dem 01.05.2023 sollte der Kläger daher seine Arbeitsleistung in Präsenz, also vor Ort am neuen Standort, zu ansonsten unveränderten Bedingungen erbringen, eine Tätigkeit im Homeoffice sei ab diesem Zeitpunkt nicht mehr möglich. Für den Fall, dass diese Versetzung unwirksam sei, erhielt der Kläger gleichzeitig hilfsweise eine ordentliche Änderungskündigung mit dem Angebot, seine Tätigkeit vor Ort am neuen Standort fortzusetzen.

Klage

Der Kläger war damit nicht einverstanden und klagte sowohl gegen die Versetzung als auch gegen die Änderungskündigung mit der Begründung, dass die Versetzung nach § 106 Satz 1 GewO unverhältnismäßig und die Änderungskündigung sozial ungerechtfertigt sei. Er argumentierte, dass er bisher fast ausschließlich im Homeoffice gearbeitet habe und eine so kurzfristige Versetzung unzumutbar sei. Es sei ihm aus privaten Gründen nicht möglich, seinen Lebensmittelpunkt so kurzfristig zu verlagern. Allein die Wohnungssuche sei in diesem Zeitraum praktisch unmöglich.

Entscheidung

1. Instanz

Das Arbeitsgericht Köln hat der Klage stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die Versetzung unwirksam sei, da sie nicht den gesetzlichen Grenzen des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO entspreche. Die Beklagte habe die Interessen des Klägers nicht ausreichend berücksichtigt. Insbesondere sei es unzumutbar, so kurzfristig an einen anderen Standort zu wechseln und innerhalb eines so kurzen Zeitraums dort eine Wohnung zu finden.

Auch die hilfsweise erklärte Änderungskündigung sei unwirksam, da sie nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) bedingt sei. Das Gericht betonte, dass die Beklagte nicht ausreichend dargelegt habe, warum eine Tätigkeit des Klägers aus dem Homeoffice am neuen Standort nicht möglich sei.

Gegen dieses Urteil legte die beklagte Arbeitgeberin Berufung ein.

2. Instanz

Das LAG Köln hat die Berufung der Arbeitgeberin zurückgewiesen und die Entscheidung des Arbeitsgerichts bestätigt. Das LAG hat ebenso wie das Arbeitsgericht Köln festgestellt, dass die angeordnete Versetzung des Klägers unwirksam sei, da die Beklagte keine überwiegenden sachlichen Interessen vorgebracht habe, die die Interessen des Klägers überwiegen würden. Der Kläger habe ein „erhebliches Bestands- und Ortsinteresse“, da er über Jahre hinweg im Homeoffice gearbeitet habe und „familiär, logistisch, im Freundeskreis und in der Kultur verortet“ sei. Um eine Versetzung von dort an einen 500 Kilometer entfernten Standort zu rechtfertigen, brauche es „überwiegende sachliche Interessen auf der Arbeitgeberseite“. Solche überwiegenden sachlichen Interessen ergäben sich nicht aus den Darlegungen der Beklagten. Die Darlegung des Klägers, dass der Kontakt zu Kundinnen und Kunden zur Erfüllung seiner Aufgaben projektbezogen vor Ort beim Kunden geschehe und bis dahin mittels Telefon und Computer, sei von der Beklagten nicht konkret bestritten worden. So sei nicht klar, welche Tätigkeiten anfielen, die eine Anwesenheit im Betrieb notwendig oder auch nur zielführend erscheinen ließen. Zusammenfassend hat das LAG festgestellt, dass die Versetzung des Klägers infolge der Betriebsschließung grundsätzlich zwar aus einem dringenden betrieblichen Erfordernis heraus erfolge, dies allerdings nicht für den mit der Neuzuordnung verbundenen Widerruf der Homeoffice-Erlaubnis gelte. Die Beklagte habe insoweit „keine sachbezogenen Interessen vorgebracht“.

Auch die Änderungskündigung sei gemäß § 1 Abs. 1 KSchG unwirksam, da sie unverhältnismäßig und „nicht durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG bedingt“ sei. Insbesondere sei nicht ersichtlich, warum nach der Einarbeitungszeit am neuen Standort nicht weiter eine Arbeitsleistung aus dem Homeoffice in Betracht komme.

Fazit

Das Urteil des LAG Köln verdeutlicht, dass Arbeitgeber bei der Versetzung von Arbeitnehmern die Vorgaben des Weisungsrechts gemäß § 106 Satz 1 GewO beachten müssen. Hierbei ist vor allem sorgfältig abzuwägen, ob die berechtigten Interessen des Arbeitgebers die Interessen des Arbeitnehmers überwiegen.

Sofern Arbeitgeber eine Änderung der Arbeitsbedingungen in Form einer Änderungskündigung aussprechen möchten, sind dringende betriebliche Erfordernisse hierfür erforderlich. Die Änderung der Arbeitsbedingungen darf für den Arbeitnehmer nicht unverhältnismäßig sein. Der Arbeitgeber hat die bestehenden dringenden betrieblichen Erfordernisse in einem etwaigen Gerichtsverfahren konkret und substanziiert darzulegen, um eine Änderungskündigung sozial zu rechtfertigen.

Insbesondere im Kontext von Homeoffice-Regelungen sollten Arbeitgeber dieses Urteil berücksichtigen. Es stärkt die Rechte der Arbeitnehmer im Homeoffice und setzt dem Arbeitgeber bei der Gestaltung von Arbeitsbedingungen z. B. durch den Entzug der Homeoffice-Erlaubnis Grenzen. Arbeitgeber sind daher gut beraten, ihre eigenen Interessen an einer Versetzung zu dokumentieren und genauestens zu begründen. Dies gilt insbesondere bei langjährigen Homeoffice-Regelungen, die zu einer persönlichen und familiären Verwurzelung am Wohnort geführt haben.