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Haften Manager für Unternehmenskartellbußen?


Können Geschäftsführer und Vorstände gegenüber dem eigenen Unternehmen für Kartellbußgelder haften, die das Unternehmen als Folge von Kartellverstößen gezahlt hat? Diese Frage wird in Deutschland bereits seit vielen Jahren diskutiert. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat nun den Europäischen Gerichtshof (EuGH) um Prüfung gebeten, ob EU-Recht einer solchen Managerhaftung entgegensteht. Das Ergebnis könnte weitreichende Folgen haben.

Bisher keine Managerhaftung für Unternehmenskartellbußen

Die Haftung von Geschäftsleitern gegenüber ihren Unternehmen für Schäden, die durch Verletzung ihrer gesellschaftsrechtlichen Pflichten entstanden sind, ist schon länger Gegenstand von Diskussionen in Deutschland. So hatte bekanntlich das Landgericht (LG) München I im Fall Siemens/Neubürger bereits vor über zehn Jahren einen Manager wegen schuldhafter Verletzung seines Pflichtenkreises dem Unternehmen gegenüber als ersatzpflichtig angesehen. Spätestens seit diesem Urteil geht es in der rechtlichen Diskussion und gerichtlichen Entscheidungen regelmäßig nicht nur um das Ob einer Haftung, sondern auch um den Umfang zu ersetzender Schäden. Bis heute nicht geklärt ist insoweit insbesondere, ob eine Ersatzpflicht eines Geschäftsleiters auch mit Blick auf Bußgelder bestehen kann, die dem Unternehmen wegen eines Kartellrechtsverstoßes von einer Kartellbehörde auferlegt worden sind. Mehrere Instanzgerichte haben eine solche Haftung von Managern für Kartellbußen, die den Unternehmen auferlegt wurden, bisher abgelehnt (LAG Düsseldorf 2015, LG Saarbrücken 2020, anders LG Dortmund 2023). Eine höchstrichterliche Entscheidung dazu steht noch aus.

OLG Düsseldorf lehnte Managerhaftung für Unternehmenskartellbußen ab

In dem nun vom BGH zu entscheidenden Fall hatte als Eingangsinstanz das LG Düsseldorf geurteilt (10.12.2021 – Az.: 37 O 66/20 (Kart)). Konkret ging es um die Klagen von zwei Gesellschaften (GmbH und AG) aus einem in der Edelstahlproduktion tätigen Konzernverbund gegen eine natürliche Person, die in Personalunion Geschäftsführer der GmbH und Vorstand der AG gewesen war. Als solche hatte die Person über mehrere Jahre an einem Preiskartell in der Stahlindustrie teilgenommen. Wegen Verstoßes gegen § 1 GWB wurde schließlich gegen die GmbH ein Bußgeld von 4,1 Mio. EUR und gegen den Geschäftsführer ein Bußgeld von 126.000 EUR verhängt. Die GmbH verlangt vom Geschäftsführer u. a. Ersatz des eigenen Bußgeldes, die AG u. a. den Ersatz weiterer durch den Kartellrechtsverstoß verursachter Schäden. Das LG Düsseldorf differenzierte in seiner Entscheidung hinsichtlich der Haftung des Geschäftsleiters zwischen (1) den dem Unternehmen auferlegten Kartellbußgeldern, (2) den dem Unternehmen im Kontext des Bußgeldverfahrens entstandenen Aufklärungs- und Anwaltskosten und (3) den aus dem Kartellverstoß resultierenden weiteren Schäden (z. B. zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen Dritter). Während nach Auffassung des Landgerichts für Bußgelder wie auch für Aufklärungs- und Anwaltskosten eine Haftung des Geschäftsleiters generell ausscheide, stellte es eine Haftung des Geschäftsleiters für aus dem Kartellrechtsverstoß resultierende weitere Schäden fest. Das OLG Düsseldorf bestätigte die Entscheidung des Landgerichts und wies die Berufungen von Klägern und Beklagtem zurück (Urteil vom 27.07.2023 – Az.: 6 U 1/22 (Kart)).

Eine Erstattungspflicht für das Kartellbußgeld sowie für Aufklärungs- und Anwaltskosten lehnten beide Gerichte ab, da die Haftung von Geschäftsleitern wegen Verletzung ihrer Pflichten aus § 43 Abs. 2 GmbHG bzw. § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG nicht für Schäden gelte, die der Gesellschaft wegen gegen sie verhängter Kartellbußgelder entstehen. Denn andernfalls würde der Zweck des Kartellbußgeldes vereitelt. Mit der Unternehmensgeldbuße solle gerade das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig getroffen werden. Daher scheide auch eine Haftung des Geschäftsleiters für mit dem Bußgeldverfahren im Zusammenhang stehende Aufklärungs- und Rechtsanwaltskosten aus. Diese seien der Gesellschaft bei der Abwehr des Bußgelds entstanden.

BGH legt Frage dem EuGH vor

Der BGH hält es nach Prüfung in dieser Rechtssache für möglich, dass die sich aus dem deutschem Kartell- und Gesellschaftsrecht ergebende mögliche Bußgeldhaftung von Geschäftsleitern nicht mit EU-Recht kompatibel sein könnte (BGH, Beschluss vom 11.02.2025 – Az.: KZR 74/23). Zwar falle – so der BGH – die konkrete Ausgestaltung der Geldbußen wegen Verstoßes gegen Art. 101 AEUV in die Kompetenz der Mitgliedstaaten, diese hätten aber gemäß der Rechtsprechung des EuGH sicherzustellen, dass die nationalen Wettbewerbsbehörden wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Geldbußen bei schuldhaften Verstößen gegen Art. 101 AEUV gegen Unternehmen verhängen können. Kartellgeldbußen sollten nicht nur rechtswidrige Handlungen der betreffenden Unternehmen ahnden, sondern auch als Abschreckung dienen. Diese Wirkungen könnten nach Auffassung des BGH beeinträchtigt sein, wenn sich Unternehmen von der Bußgeldlast durch Rückgriff auf Leitungsorgane entlasten könnten.

Daher hat der BGH nun dem EuGH die zentrale Frage zur Beantwortung vorgelegt,

„ob Art. 101 AEUV einer Regelung im nationalen Recht entgegensteht, nach der ein Unternehmen, gegen das ein Bußgeld wegen eines Kartellrechtsverstoßes verhängt worden ist, seine Geschäftsführer oder Vorstandsmitglieder dafür in Regress nehmen kann“.

Ausblick

Die Entscheidung des BGH besitzt erhebliche Relevanz für Unternehmen und Geschäftsleitungen in Deutschland. Sollte der BGH am Ende eine Haftung der Geschäftsleitung für dem Unternehmen auferlegte Kartellbußgelder bejahen, hätte dies Folgen für die Zukunft und ggf. auch für die Vergangenheit.

Zukunftsgerichtet müssten Unternehmen u. a. über die Anpassung von D&O-Versicherungen nachdenken. In die Vergangenheit blickend müssten sich heutige Unternehmensleitungen und Aufsichtsorgane die Frage stellen, ob dem Unternehmen im Falle eines früheren Kartellbußgeldes gegen frühere verantwortliche Manager diesbezüglich noch Ersatzansprüche zustehen könnten.

Dabei erscheint eine Haftung des Managements nicht nur – wie im vorliegenden Sachverhalt – bei einem selbst erfüllten vorsätzlichen Kartellrechtsverstoß möglich, sondern dürfte auch bei einer nur fahrlässigen Pflichtverletzung der jeweiligen Geschäftsleitung in Betracht kommen. Dies könnte bedeuten, dass schon im Falle einer unzureichenden Compliance-Organisation ein Haftungsrisiko besteht.

Kontaktperson: Hubertus Kleene