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Geschäftsverlagerung von Deutschland nach Polen: Q&A mit Tipps und Hinweisen


Aufgrund der zunehmenden Schwierigkeiten, qualifizierte Mitarbeitende zu finden, erwägen viele deutsche Unternehmensgruppen zumindest eine teilweise Verlagerung ihrer Geschäftsbetriebe bzw. gesamter Unternehmen in andere Länder. In diesem Zusammenhang kann die Gründung eines Unternehmens in Polen eine attraktive Option für deutsche Unternehmensgruppen sein. Zur Vermeidung von Sanktionen müssen dabei jedoch alle rechtlichen Anforderungen und Registrierungsverfahren beachtet werden.

Einleitung

Dieser Artikel – verfasst als Q&A-Übersicht – bietet einen Überblick über die wesentlichen Voraussetzungen und Trends für deutsche Unternehmensgruppen mit dem Ziel, ihren Geschäftsbetrieb nach Polen zu verlagern bzw. ein Unternehmen in Polen zu gründen.

Ist es möglich in Polen eine dauerhafte Geschäftstätigkeit auszuüben, ohne dort ein Unternehmen oder eine Niederlassung zu registrieren?

Nein, eine deutsche Zweigniederlassung oder ein deutsches Unternehmen kann ohne vorherige Registrierung keine ständige Geschäftstätigkeit in Polen ausüben (vgl. hierzu auch den Artikel Unternehmerische Tätigkeiten in Polen: ein Leitfaden für deutsche Unternehmen). Sobald ausländische Unternehmen oder eine Zweigniederlassung eine Tätigkeit innerhalb Polens ausüben, die

  • organisiert und
  • auf Gewinn ausgerichtet ist und zudem
  • in eigenem Namen geführt und
  • kontinuierlich ausgeübt wird,

muss eine Eintragung in das sog. Unternehmerregister des Nationalen Gerichtsregisters (NCR) erfolgen. Für die Feststellung, ob ausländische Unternehmen tatsächlich unternehmerisch in Polen tätig sind, können Faktoren wie die Beschäftigung von Arbeitnehmenden für die Geschäftstätigkeit einer Zweigniederlassung oder eines Unternehmens indikativ sein.

Die Nichteinhaltung der Registrierungspflicht kann für ausländische Unternehmensgruppen in Polen Sanktionen nach sich ziehen. So können neben einer Geldbuße in Höhe von bis zu 5.000 PLN (ca. 1.200 EUR) auch Freiheitsstrafen (Freiheitsentzug von einem Monat) verhängt werden.

Zu beachten ist, dass eine Ausnahme von der Registrierungspflicht für die Erbringung von Dienstleistungen von Unternehmen aus dem Europäischen Wirtschaftsraum besteht: Dienstleistungen, die lediglich vorübergehend erbracht werden, sind nicht registrierungspflichtig. Hier gilt es jedoch, bestimmte Sondergesetze im Blick zu behalten, die für einige Dienstleistungen (z. B. Transport- und Logistikdienstleistungen, Sicherheitsdienste, Rundfunk und Fernsehen, Dienstleistungen in Verbindung mit Energie, Bergbau und Gas sowie Abfallwirtschaft) beispielsweise eine Genehmigungspflicht begründen. Je nach Gegenstand der genehmigungspflichtigen Tätigkeit sind unterschiedliche Behörden für die Erteilung der Genehmigung zuständig: für Logistikdienstleistungen beispielsweise das Verkehrsministerium, im Falle von Sicherheitsdiensten der Minister für Inneres, für Tätigkeiten in Verbindung mit Energie und Gas der Präsident des Zentralamtes für die Regulierung von Energiefragen und für den Bereich Rundfunk und Fernsehen der Präsident des nationalen Rundfunk- und Fernsehrats.

Welche polnischen Rechtsformen stehen für deutsche Unternehmensgruppen zur Auswahl?

Deutschen Unternehmen stehen diverse Rechtsformen für eine Geschäftstätigkeit in Polen zur Verfügung:

  • eine Zweigniederlassung eines deutschen Unternehmes (oddział zagranicznego przedsiębiorcy)
  • eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (spółka z ograniczoną odpowiedzialnością – sp. z o.o.)
  • eine Aktiengesellschaft (spółka akcyjna – S.A.)
  • eine sog. einfache Aktiengesellschaft (prosta spółka akcyjna – P.S.A.)
  • eine Europäische Gesellschaft (Spółka Europejska – SE)
  • eine offene Handelsgesellschaft (spółka jawna – sp.j.)
  • eine Partnergesellschaft mit beschränkter Haftung (spółka partnerska – sp.p.)
  • eine Kommanditgesellschaft (spółka komandytowa – sp.k.)
  • eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (spółka komandytowo-akcyjna – S.K.A.)

Aus unserer Erfahrung werden in Polen die Zweigniederlassung und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung am häufigsten gewählt.

Welche grundlegenden Unterschiede sind zwischen einer Zweigniederlassung in Polen und einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu beachten?

Polnische Zweigniederlassung eines deutschen Unternehmens

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Rechtsfähigkeit

keine eigene Rechtsfähigkeit, sondern Teil der deutschen Muttergesellschaft

unabhängige juristische Person mit Rechtspersönlichkeit

Tätigkeitsbereich

definiert durch den Unternehmensgegenstand der deutschen Muttergesellschaft; Abweichungen sind nicht möglich

beliebiger Tätigkeitsbereich (Ausnahme: verbotene Tätigkeiten)

Stammkapital

(-)

Mindeststammkapital: 5.000 PLN (ca. 1.200 EUR)

Polnische Zweigniederlassung eines deutschen Unternehmens

Gesellschaft mit beschränkter Haftung

Buchhaltung

Verpflichtung zur getrennten Buchführung

Verpflichtung zur getrennten Buchführung

Management

Geschäftsführung der deutschen Muttergesellschaft

Vertreten durch den Vorstand

Haftung

Haftungssubjekt ist die deutsche Muttergesellschaft

Haftung ausschließlich für die eigene Tätigkeit; die verbundenen deutschen Unternehmenden (z. B. die deutsche Muttergesellschaft) sind nicht haftbar

Gründung

ca. 3–5 Wochen

ca. 6–8 Wochen

Arbeitnehmende

Die Zweigniederlassung kann (neben der Muttergesellschaft) unabhängiger Arbeitgeber sein und Arbeitnehmende einstellen

Arbeitnehmende werden im Namen der Gesellschaft angestellt

Liquidation

vereinfachtes Liquidationsverfahren (Dauer: ca. 2–3 Monate)

Liquidation im Regelverfahren (Dauer: ab 6 Monate)

Ist der Erwerb einer bereits bestehenden polnischen Vorratsgesellschaft möglich?

Eine Zweigniederlassung kann ausschließlich im Wege der Neugründung errichtet werden. Der Erwerb einer bereits bestehenden, aber „leeren“ Zweigniederlassung ist nicht möglich. Dagegen kann eine polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht nur im Wege der Neugründung, sondern auch durch den Kauf einer bereits bestehenden – „leeren“ – polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sog. Vorratsgesellschaft) erworben werden. Die Gründung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung dauert in der Regel etwa sechs bis acht Wochen. Der Erwerb inklusive der gesellschaftsrechtlichen Übernahme einer Vorratsgesellschaft dauert ca. vier bis sechs Wochen.

Ist es erforderlich, eine tatsächliche Präsenz bzw. ein Büro in Polen zu führen?

Sowohl für eine Zweigniederlassung als auch für eine polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine physische Präsenz innerhalb des polnischen Staatsgebietes erforderlich. Die Adresse des eingetragenen Firmensitzes ist im Register offenzulegen. Hierfür ist es auch erforderlich, dass die Muttergesellschaft einer Zweigniederlassung bzw. die polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Verfügungserlaubnisse in Bezug auf die angemeldete Adresse vorweisen kann (z. B. als Eigentümer oder Mieter der betreffenden Räume bzw. der Immobilie).

Interessant ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, ein „virtuelles“ Büro zu mieten. Dies ist eine kostengünstige Alternative zu den traditionellen und physischen Büroanmietungen und reduziert die Unterhaltskosten wesentlich. In der Regel befindet sich die Adresse des virtuellen Büros in Warschau.

Was gilt es bei der Besetzung der leitenden Positionen in einer Zweigniederlassung oder einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu beachten?

Eine polnische Zweigniederlassung benötigt mindestens eine natürliche Person, die befugt ist, die deutsche Muttergesellschaft im Hinblick auf die Zweigniederlassung zu vertreten.

Der Vorstand einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung sollte aus mindestens einem Mitglied bestehen.

Auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger können leitende Funktionen ausüben. Sie müssen weder ihren Wohnsitz in Polen haben noch die polnische Staatsbürgerschaft besitzen. Daher können deutsche Führungskräfte mit Wohnsitz in Deutschland tatsächlich mit der Leitung einer polnischen Zweigniederlassung oder einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung betraut werden. Verpflichtend ist lediglich der Erwerb einer qualifizierten elektronischen Signatur und der persönlichen Personenidentifikationsnummer (sog. PESEL-Nummer). Während eine qualifizierte elektronische Signatur für die elektronische Einreichung bestimmter Dokumente erforderlich ist (z. B. für die Meldung des oder der wirtschaftlich Berechtigten im Sinne der Geldwäschevorschriften gegenüber dem polnischen Transparenzregister sowie für einige Steuerunterlagen), wird eine PESEL-Nummer für die Einreichung von Finanzausweisen und die Einrichtung eines Zugangs zur elektronischen Plattform der polnischen öffentlichen Verwaltung (sog. ePUAP) benötigt.

Sind zusätzliche Genehmigung oder Lizenzen zwingend?

Je nach Art der Geschäftstätigkeit können Genehmigungspflichten in Polen anfallen. Folgende Arten von Genehmigungen sind hier zu unterscheiden:

  • Konzession
  • Genehmigungen, Lizenzen, Zustimmungen
  • Eintrag in das Register der sog. regulierten Tätigkeit

Betroffen von der am strengsten regulierten Erlaubnisform, der Konzession, sind die Wirtschaftssektoren Bergbau, Waffen, Energie, Rundfunk und Fernsehen, Schutz von Personen und Eigentum, Betrieb eines Spielkasinos und Luftverkehr. Der Konzession liegt ein umfassendes behördliches Verfahren zugrunde. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, vorab eine sog. Konzessionszusage zu erhalten. Wird eine solche Zusage erteilt, ist die Behörde für einen bestimmten Zeitraum (dieser unterscheidet sich je nach Art der Tätigkeit und beträgt z. B. beim Großhandel mit Spirituosen in der Regel ca. sechs Monate) gebunden und kann die Erteilung der bereits zugesagten Konzession grundsätzlich nicht verweigern.

Das Verfahren rund um eine Genehmigung ist in der Regel weniger formalisiert als die Erteilung einer Konzession. Wenn der Antragsteller alle gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien erfüllt, hat die Behörde keinen Ermessenspielraum. Beispiele für Geschäftstätigkeiten, die eine Genehmigung erfordern, sind Logistikdienstleistungen, Tätigkeiten in den Bereichen Energie und Gas oder Fernsehen und Rundfunk und die Abfallverarbeitung.

Die sog. regulierte Tätigkeit ist (im Vergleich) die am wenigsten regulierte Form einer Geschäftstätigkeit in Polen. Um einen Eintrag in das Register der regulierten Tätigkeiten zu erhalten, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:

  • Erfüllung bestimmter Bedingungen, die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich sind
  • Antragstellung auf Eintragung in das Register für regulierte Tätigkeiten
  • Abgabe einer Erklärung, in der die Erfüllung der erforderlichen Vorschriften für die Ausübung der Geschäftstätigkeit versichert wird

Beispiele für regulierte Tätigkeiten sind die Organisation touristischer Veranstaltungen, Detektivdienste, die Herstellung und Abfüllung von Weinprodukten oder der Betrieb einer Fahrschule.

Wie hoch sind die Kosten für die Gründung einer Zweigniederlassung und einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung?

Die Gründung einer Zweigniederlassung ist im Vergleich zur Gründung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung kostengünstiger. Dies liegt vor allem daran, dass für eine Zweigniederlassung kein Mindeststammkapital zu erbringen ist. Bei der Einreichung des Antrags auf Registrierung der Zweigniederlassung ist lediglich eine Gerichtsgebühr von 600 PLN (ca. 150 EUR) zu entrichten. Während des Registrierungsverfahrens fallen zudem Kosten für die Beschaffung beglaubigter Übersetzungen an.

Im Gegensatz dazu ist für die Eintragung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Mindeststammkapital von 5.000 PLN (ca. 1.200 EUR) erforderlich. Die Gerichtsgebühr für die Eintragung der Gesellschaft beträgt 500 PLN (ca. 120 EUR). Zudem entstehen Kosten für die Erstellung der Satzung und Notarkosten, die je nach Notargebühr variieren können.

Welche Möglichkeiten bestehen grundsätzlich in Bezug auf die Übertragung von Vermögenswerten von deutschen Unternehmensgruppen nach Polen?

In den letzten 12 bis 24 Monaten beobachten wir einen zunehmenden Trend und eine verstärkte Nachfrage nach Geschäftsverlagerungen von deutschen Unternehmen auf polnische Unternehmen innerhalb ihrer Unternehmensgruppen. Diese Verlagerung erfolgt meist durch Einzelrechtsübertragungen (Asset Deals) und umwandlungsrechtliche Maßnahmen wie Abspaltungen oder Verschmelzungen über Landesgrenzen hinweg.

Die umfassende Rechtsberatung in beiden Ländern, insbesondere in den Bereichen Gesellschafts- und Arbeitsrecht, sowie die steuerliche Beratung spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Geschäftsverlagerung. Zudem stellen Fragen rund um die Lohnabrechnung und Versicherungen die Unternehmen vor besondere Herausforderungen.  

Fazit

Die Verlagerung von Geschäftsbereichen nach Polen bietet deutschen Unternehmen attraktive Wachstums- und Kostenvorteile in einem sich dynamisch entwickelnden Markt. Entscheidend sind die richtige Wahl der Rechtsform – z. B. Zweigniederlassung oder polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung – sowie die sorgfältige Eintragung in das nationale Unternehmerregister und die Einhaltung aller Genehmigungs- und Konzessionspflichten. Eine enge Zusammenarbeit mit lokalen Rechts- und Steuerfachleuten sichert die reibungslose Umsetzung grenzüberschreitender Vermögensübertragungen und Umstrukturierungen. Digitale Services wie virtuelle Büros, qualifizierte elektronische Signaturen und elektronische Meldesysteme beschleunigen Abläufe und senken Kosten. Mit klarer Strategie, flexiblen Strukturen und lokaler Expertise können deutsche Unternehmensgruppen in Polen nachhaltiges Wachstum, neue Marktchancen und dauerhafte Wettbewerbsvorteile realisieren.

Kontaktpersonen: Piotr Podsiadło, Alicja Karpik, Katarina Sacharow, LL.M.

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