Ist der Erwerb einer bereits bestehenden polnischen Vorratsgesellschaft möglich?
Eine Zweigniederlassung kann ausschließlich im Wege der Neugründung errichtet werden. Der Erwerb einer bereits bestehenden, aber „leeren“ Zweigniederlassung ist nicht möglich. Dagegen kann eine polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung nicht nur im Wege der Neugründung, sondern auch durch den Kauf einer bereits bestehenden – „leeren“ – polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (sog. Vorratsgesellschaft) erworben werden. Die Gründung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung dauert in der Regel etwa sechs bis acht Wochen. Der Erwerb inklusive der gesellschaftsrechtlichen Übernahme einer Vorratsgesellschaft dauert ca. vier bis sechs Wochen.
Ist es erforderlich, eine tatsächliche Präsenz bzw. ein Büro in Polen zu führen?
Sowohl für eine Zweigniederlassung als auch für eine polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist eine physische Präsenz innerhalb des polnischen Staatsgebietes erforderlich. Die Adresse des eingetragenen Firmensitzes ist im Register offenzulegen. Hierfür ist es auch erforderlich, dass die Muttergesellschaft einer Zweigniederlassung bzw. die polnische Gesellschaft mit beschränkter Haftung Verfügungserlaubnisse in Bezug auf die angemeldete Adresse vorweisen kann (z. B. als Eigentümer oder Mieter der betreffenden Räume bzw. der Immobilie).
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Möglichkeit, ein „virtuelles“ Büro zu mieten. Dies ist eine kostengünstige Alternative zu den traditionellen und physischen Büroanmietungen und reduziert die Unterhaltskosten wesentlich. In der Regel befindet sich die Adresse des virtuellen Büros in Warschau.
Was gilt es bei der Besetzung der leitenden Positionen in einer Zweigniederlassung oder einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu beachten?
Eine polnische Zweigniederlassung benötigt mindestens eine natürliche Person, die befugt ist, die deutsche Muttergesellschaft im Hinblick auf die Zweigniederlassung zu vertreten.
Der Vorstand einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung sollte aus mindestens einem Mitglied bestehen.
Auch deutsche Staatsbürgerinnen und Staatsbürger können leitende Funktionen ausüben. Sie müssen weder ihren Wohnsitz in Polen haben noch die polnische Staatsbürgerschaft besitzen. Daher können deutsche Führungskräfte mit Wohnsitz in Deutschland tatsächlich mit der Leitung einer polnischen Zweigniederlassung oder einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung betraut werden. Verpflichtend ist lediglich der Erwerb einer qualifizierten elektronischen Signatur und der persönlichen Personenidentifikationsnummer (sog. PESEL-Nummer). Während eine qualifizierte elektronische Signatur für die elektronische Einreichung bestimmter Dokumente erforderlich ist (z. B. für die Meldung des oder der wirtschaftlich Berechtigten im Sinne der Geldwäschevorschriften gegenüber dem polnischen Transparenzregister sowie für einige Steuerunterlagen), wird eine PESEL-Nummer für die Einreichung von Finanzausweisen und die Einrichtung eines Zugangs zur elektronischen Plattform der polnischen öffentlichen Verwaltung (sog. ePUAP) benötigt.
Sind zusätzliche Genehmigung oder Lizenzen zwingend?
Je nach Art der Geschäftstätigkeit können Genehmigungspflichten in Polen anfallen. Folgende Arten von Genehmigungen sind hier zu unterscheiden:
- Konzession
- Genehmigungen, Lizenzen, Zustimmungen
- Eintrag in das Register der sog. regulierten Tätigkeit
Betroffen von der am strengsten regulierten Erlaubnisform, der Konzession, sind die Wirtschaftssektoren Bergbau, Waffen, Energie, Rundfunk und Fernsehen, Schutz von Personen und Eigentum, Betrieb eines Spielkasinos und Luftverkehr. Der Konzession liegt ein umfassendes behördliches Verfahren zugrunde. In diesem Zusammenhang besteht die Möglichkeit, vorab eine sog. Konzessionszusage zu erhalten. Wird eine solche Zusage erteilt, ist die Behörde für einen bestimmten Zeitraum (dieser unterscheidet sich je nach Art der Tätigkeit und beträgt z. B. beim Großhandel mit Spirituosen in der Regel ca. sechs Monate) gebunden und kann die Erteilung der bereits zugesagten Konzession grundsätzlich nicht verweigern.
Das Verfahren rund um eine Genehmigung ist in der Regel weniger formalisiert als die Erteilung einer Konzession. Wenn der Antragsteller alle gesetzlich vorgeschriebenen Kriterien erfüllt, hat die Behörde keinen Ermessenspielraum. Beispiele für Geschäftstätigkeiten, die eine Genehmigung erfordern, sind Logistikdienstleistungen, Tätigkeiten in den Bereichen Energie und Gas oder Fernsehen und Rundfunk und die Abfallverarbeitung.
Die sog. regulierte Tätigkeit ist (im Vergleich) die am wenigsten regulierte Form einer Geschäftstätigkeit in Polen. Um einen Eintrag in das Register der regulierten Tätigkeiten zu erhalten, müssen folgende Voraussetzungen gegeben sein:
- Erfüllung bestimmter Bedingungen, die für die Ausübung der Tätigkeit erforderlich sind
- Antragstellung auf Eintragung in das Register für regulierte Tätigkeiten
- Abgabe einer Erklärung, in der die Erfüllung der erforderlichen Vorschriften für die Ausübung der Geschäftstätigkeit versichert wird
Beispiele für regulierte Tätigkeiten sind die Organisation touristischer Veranstaltungen, Detektivdienste, die Herstellung und Abfüllung von Weinprodukten oder der Betrieb einer Fahrschule.
Wie hoch sind die Kosten für die Gründung einer Zweigniederlassung und einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung?
Die Gründung einer Zweigniederlassung ist im Vergleich zur Gründung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung kostengünstiger. Dies liegt vor allem daran, dass für eine Zweigniederlassung kein Mindeststammkapital zu erbringen ist. Bei der Einreichung des Antrags auf Registrierung der Zweigniederlassung ist lediglich eine Gerichtsgebühr von 600 PLN (ca. 150 EUR) zu entrichten. Während des Registrierungsverfahrens fallen zudem Kosten für die Beschaffung beglaubigter Übersetzungen an.
Im Gegensatz dazu ist für die Eintragung einer polnischen Gesellschaft mit beschränkter Haftung ein Mindeststammkapital von 5.000 PLN (ca. 1.200 EUR) erforderlich. Die Gerichtsgebühr für die Eintragung der Gesellschaft beträgt 500 PLN (ca. 120 EUR). Zudem entstehen Kosten für die Erstellung der Satzung und Notarkosten, die je nach Notargebühr variieren können.
Welche Möglichkeiten bestehen grundsätzlich in Bezug auf die Übertragung von Vermögenswerten von deutschen Unternehmensgruppen nach Polen?
In den letzten 12 bis 24 Monaten beobachten wir einen zunehmenden Trend und eine verstärkte Nachfrage nach Geschäftsverlagerungen von deutschen Unternehmen auf polnische Unternehmen innerhalb ihrer Unternehmensgruppen. Diese Verlagerung erfolgt meist durch Einzelrechtsübertragungen (Asset Deals) und umwandlungsrechtliche Maßnahmen wie Abspaltungen oder Verschmelzungen über Landesgrenzen hinweg.
Die umfassende Rechtsberatung in beiden Ländern, insbesondere in den Bereichen Gesellschafts- und Arbeitsrecht, sowie die steuerliche Beratung spielen eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung der Geschäftsverlagerung. Zudem stellen Fragen rund um die Lohnabrechnung und Versicherungen die Unternehmen vor besondere Herausforderungen.