Rechtliche Rahmenbedingungen der obligatorischen Mediation in der Türkei
Voraussetzungen und Anwendungsbereiche
In der dynamischen Welt des türkischen Arbeitsrechts haben die steigende Zahl von Arbeitsstreitigkeiten und die zunehmende Komplexität der Gerichtsverfahren zur Einführung des Arbeitsgerichtsgesetzes Nr. 7036 (im Folgenden „Arbeitsgerichtsgesetz“) geführt. Dieses Gesetz, das am 01.01.2018 in Kraft trat, schreibt vor, dass in bestimmten Fällen vor Einreichung einer Klage zwingend ein Mediationsverfahren durchgeführt werden muss.
Gemäß Art. 3 Arbeitsgerichtsgesetz müssen in folgenden Rechtsstreitigkeiten vor der Klageerhebung Mediatoren eingeschaltet werden:
- Ansprüche und Entschädigungen von Arbeitnehmern oder Arbeitgebern, die auf gesetzlichen Grundlagen oder auf individuellen oder kollektiven Arbeitsverträgen basieren
- Klagen auf Wiedereinstellung, also Kündigungsschutzklagen
Mit der im Jahr 2023 in Kraft getretenen Gesetzesänderung wird die Mediation auch in Fällen von
- Einspruchsrücknahmen,
- Feststellungsklagen und
- Rückforderungsklagen
obligatorisch.
Klagen, die ohne die Einschaltung eines Mediators beim Arbeitsgericht eingereicht werden, werden aufgrund „fehlender Prozessvoraussetzungen“ abgewiesen.
Ausnahme: Im Falle materieller und immaterieller Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten und den damit verbundenen Gerichtsverfahren ist die Einschaltung eines Mediators nicht obligatorisch.
Struktur des Mediationsprozesses: Phasen und Abläufe
Die Parteien müssen den Antrag auf Mediation nicht gemeinsam stellen, es ist auch möglich, dass nur eine der Parteien (Arbeitnehmer oder Arbeitgeber) einen solchen Antrag stellt. Die Mediatoren werden aus einer Liste, die dem erstinstanzlichen Gericht von der Mediationsstelle bereitgestellt wird, dem jeweiligen Mediationsverfahren zugewiesen. Die Parteien können sich alternativ auch gemeinsam auf einen Mediator, der zum Zeitpunkt der Antragstellung auf der Liste steht, einigen. Ein nicht gelisteter Mediator darf in Streitigkeiten, in denen die Mediation obligatorisch ist, nicht bestellt werden.
Der Mediator hat die Aufgabe, die Verhandlungen zwischen den Parteien innerhalb von drei Wochen nach seiner Bestellung abzuschließen. Er kann die Frist um eine Woche verlängern, wenn er dies für erforderlich hält. Arbeitnehmer, deren Arbeitsvertrag gekündigt wurde, müssen sich innerhalb eines Monats nach Zustellung der Kündigung an den Mediator wenden, bevor sie Klage erheben können. Wird am Ende der Mediation keine Einigung erzielt, muss innerhalb von zwei Wochen nach dem Datum des Beschlussprotokolls eine Klage beim Arbeitsgericht eingereicht werden. Das vom Mediator ausgestellte Beschlussprotokoll ist Voraussetzung für eine später zu erhebende Klage. Während der obligatorischen Mediation sind Verjährungs- und Klagefristen gehemmt.
Im Falle der Einigung kann bei dem für den Rechtsstreit zuständigen Gericht eine sog. Vollstreckbarkeitsbescheinigung beantragt werden. Dies erfolgt in einem Eilverfahren. Die Vereinbarung, die diese Bescheinigung umfasst, wird als Urkunde mit Urteilscharakter anerkannt. Mit anderen Worten: Das Vereinbarungsdokument gilt wie ein Titel etwa für Zahlungsansprüche oder Wiedereinstellungen.
Vor- und Nachteile der obligatorischen Mediation
Die obligatorische Mediation im türkischen Arbeitsrecht ist ein bedeutender Schritt zur Verbesserung der Konfliktlösung und entlastet die Justiz. Zudem ist sie grundsätzlich auch für die Parteien von Vorteil, da sie kosten- und zeiteffizienter ist als ein Gerichtsverfahren. In der Regel werden die Kosten des Mediationsverfahrens zu gleichen Teilen von den Konfliktparteien getragen. Die Medianten können jedoch auch vereinbaren, dass eine der Konfliktparteien die Kosten vollständig oder einen größeren Anteil übernimmt.
Arbeitgeber und Arbeitnehmer sollten die Regelungen kennen und die Möglichkeiten der Mediation aktiv nutzen, um langwierige Gerichtsverfahren zu vermeiden. Die Ansprüche, die nicht Gegenstand einer Mediation waren, aber hätten sein müssen, werden in einem späteren Rechtsstreit abgewiesen, da für sie die Prozessvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Es ist daher wichtig, die Verfahren zu kennen und planvoll darauf zu reagieren.
In der Praxis wird die obligatorische Mediation vereinzelt kritisiert, weil die Parteien in deren Rahmen gezwungen werden, an einem Mediationsverfahren teilzunehmen, auch wenn sie offensichtlich keinen Einigungswillen haben. Das eigentliche Konzept der Mediation beinhaltet aber ein Element der Freiwilligkeit und des Einigungswillens. So gab es auch schon Diskussionen darüber, dass die Mediation nur freiwillig erfolgen soll. Für den Fall, dass die Mediation nicht mehr obligatorisch wäre, wäre es dennoch begrüßenswert, wenn die abschließende Vereinbarung weiterhin mit einem Vollstreckbarkeitsvermerk versehen und als Urkunde mit Urteilscharakter angesehen würde.
„Mediation“ im deutschen Arbeitsrecht: freiwillige Ansätze
Die Rolle der Mediation in der Konfliktbewältigung
Die Mediation in Deutschland ist zwar ein wichtiges, aber in der Praxis wenig genutztes Instrument zur Konfliktlösung. Die gesetzliche Grundlage für die Mediation findet sich im Mediationsgesetz (MediationsG) von 2012, das die Rahmenbedingungen für die Durchführung von Mediationsverfahren festlegt. Das MediationsG behandelt nicht nur arbeitsrechtliche Themen, sondern umfasst ein breites Spektrum an außergerichtlichen Konfliktbeilegungsverfahren. Mediation im deutschen Arbeitsrecht ist ein freiwilliger und vertraulicher Prozess, in dem ein neutraler Dritter, der Mediator, den Parteien hilft, eine einvernehmliche Lösung für ihren Konflikt zu finden. Die Benennung eines Mediators erfolgt in der Regel durch die Parteien selbst. Dabei können sich die Parteien auch vom Berufsverband einen Mediator vorschlagen lassen.
Die Mediation zielt darauf ab, die Konfliktlösung zu beschleunigen, die Kosten zu senken und die Beziehung zwischen den Parteien zu erhalten. Sie bietet eine Plattform für offene Kommunikation und fördert die Eigenverantwortung der Parteien.
Die Rolle des Gütertermins in der Konfliktbewältigung
Im deutschen Arbeitsrecht gibt es – anders als in der Türkei – keine generelle Pflicht zur Mediation. So ist es im deutschen Arbeitsrecht auch eher üblich, dass sich die Parteien außerhalb eines formellen Mediationsverfahrens außergerichtlich beispielsweise auf einen Aufhebungsvertrag gegen Zahlung einer Abfindung einigen.
Sofern eine Einigung außergerichtlich nicht zustande kommt, beginnt das Arbeitsgerichtsverfahren (z. B. bei Kündigungsschutzklagen) mit dem sog. Gütertermin, bei dem die Parteien die Möglichkeit haben, ihre Positionen darzulegen und eine einvernehmliche Lösung unter der „Mediation“ des zuständigen Richters zu finden, wodurch ebenfalls ein langwieriges und im Zweifel kostenintensives Gerichtsverfahren vermieden werden kann.
Als Gütetermin vor dem Arbeitsgericht in Deutschland bezeichnet man eine mündliche Verhandlung, die darauf abzielt, eine Einigung zwischen Arbeitnehmer oder Betriebsrat auf der einen Seite und dem Arbeitgeber auf der anderen Seite zu erzielen. Der Gütetermin ermöglicht es den Parteien, streitige Punkte zu erörtern und – unter der Beteiligung des vorsitzenden Richters – eine gütliche Einigung zu erzielen. Wenn keine Einigung erzielt wird, mithin kein Vergleich abgeschlossen werden kann, wird das Verfahren vor der Kammer fortgesetzt, um ggf. Beweise zu erheben und ein Urteil oder einen Beschluss zu fällen. Vergleiche sind allerdings auch vor der Kammer noch möglich. Nach § 57 Abs. 2 ArbGG soll während des gesamten gerichtlichen Verfahrens die gütliche Einigung des Rechtsstreits angestrebt werden.
Fazit
Im deutschen Arbeitsrecht spielt nicht die Mediation, sondern die Güteverhandlung als Instrument der Konfliktlösung eine zentrale Rolle. Während die Mediation auf eine einvernehmliche Lösung ohne gerichtliche Intervention abzielt, kann die Güteverhandlung als erster Schritt in einem formellen Rechtsstreit angesehen werden, der mit einem Urteil oder Beschluss enden kann. Der Vergleich vor Gericht ist bindend und beendet den Rechtsstreit endgültig.