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Die Bedeutung des polnischen Hinweisgeberschutzgesetzes für deutsche Unternehmensgruppen


Der Schutz von Hinweisgebenden ist nicht nur eine gesetzliche Verpflichtung, sondern auch eine praktische Herausforderung für jedes Unternehmen. Dieser Artikel zeigt wesentliche Anforderungen für in Polen tätige Unternehmen auf, um bestehende Prozesse anzupassen und polnische Vorschriften zum Schutz von Hinweisgebenden einzuhalten.

Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz im Überblick

Im September 2024 trat das polnische Gesetz zum Schutz von Hinweisgebenden (Gesetz vom 14.06.2024 über den Schutz von Hinweisgebern „Ustawa o ochronie sygnalistów“, Polnisches Gesetzblatt, Pos. 928; das „polnische Hinweisgeberschutzgesetz“) in Kraft, mit dem die Richtlinie (EU) 2019/1937 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23.10.2019 zum Schutz von Personen, die Verstöße gegen das Unionsrecht melden (die „Richtlinie“), umgesetzt wurde. Polen ist der letzte EU-Mitgliedstaat, der die Bestimmungen der Richtlinie in nationales Recht überführt. Die Verpflichtungen nach dem polnischen Hinweisgeberschutzgesetz betreffen nicht nur polnische Unternehmen, sondern auch ausländische, einschließlich deutscher Unternehmensgruppen, die in Polen durch Gruppengesellschaften vertreten sind. Unternehmensgruppen haben häufig zentrale Meldekanäle für Hinweisgebende eingerichtet und müssen in dieser Hinsicht nunmehr auch die Vorgaben des polnischen Rechts berücksichtigen.

1. Umsetzung der EU-Richtlinie in das polnische Rechtssystem

Im Oktober 2019 wurde die Richtlinie verabschiedet, die den EU-Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegte, diese bis zum 17.12.2021 in nationales Recht umzusetzen. Bis zu diesem Zeitpunkt sollten nicht nur die entsprechenden nationalen Umsetzungsgesetze in Kraft treten, sondern auch interne Meldeverfahren und Meldekanäle in den betroffenen Unternehmen implementiert werden.

Aufgrund von Verzögerungen im parlamentarischen Verfahren wurde das polnische Hinweisgeberschutzgesetz erst im Juni 2024 verabschiedet und trat nunmehr im September 2024 in Kraft. Obwohl sich das polnische Umsetzungsgesetz weitgehend an den Vorgaben der Richtlinie orientiert, hat der polnische Gesetzgeber beschlossen, einzelne Aspekte detaillierter und restriktiver zu regeln als von der Richtlinie vorgesehen und zusätzliche Melde- und Schutzpflichten für Hinweisgebende aufzunehmen, die über den Regelungsumfang der Richtlinie hinausgehen. Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet Unternehmen daher, neue interne Regelungen zu erlassen, die nicht nur den Schutz von Hinweisgebenden erhöhen, sondern auch eine Reihe neuer Aufgaben mit sich bringen. Jeder Mitarbeitende kann zum Hinweisgebenden werden und jedes Unternehmen hat Rahmenbedingungen zu schaffen, damit Meldungen ohne die Gefahr von Benachteiligung für den Meldenden abgegeben werden können.

2. Kernpunkte des polnischen Hinweisgeberschutzgesetzes

Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz verpflichtet alle Unternehmen, die in Polen tätig sind, ein internes Verfahren einzurichten, in dessen Rahmen Meldungen zu Gesetzesverstößen abgegeben werden können, und eingehende Meldungen im Anschluss zu untersuchen. Diese Verpflichtungen gelten für Unternehmen, die entweder zum Stichtag 01.01. oder zum 01.07. eines Jahres mindestens 50 Personen in Vollzeit beschäftigen. Zu den Beschäftigten zählen unter anderem Arbeitnehmer, B2B-Auftragnehmer und Personen, die Dienstleistungen auf der Grundlage zivilrechtlicher Verträge erbringen.

Im Rahmen der Einrichtung des internen Meldeverfahrens müssen insbesondere folgende Punkte geregelt werden:

(a) Benennung von Personen, die befugt sind, Meldungen von Hinweisgebenden entgegenzunehmen

(b) Darstellung der im Unternehmen verfügbaren Meldekanäle für die Meldung von Verstößen

(c) Benennung von Personen, die für Folgemaßnahmen verantwortlich sind, einschließlich der Überprüfung der eingereichten Meldung und der Kommunikation mit dem Hinweisgebenden

Ähnlich wie nach der deutschen Rechtslage ist es auch nach polnischem Recht nicht erforderlich, anonyme Meldungen entgegenzunehmen. Unternehmen sollen Mitarbeitenden lediglich die Möglichkeit einräumen, Meldungen anonym einzureichen, weil die Praxis gezeigt hat, dass hierdurch die Hemmschwelle, tatsächlich eine Meldung abzugeben, sinkt. Allerdings können Unternehmen anonym Meldende – mangels Kenntnis über deren Identität – nur sehr begrenzt gegen Benachteiligung schützen.

Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz enthält darüber hinaus Vorgaben für die Implementierung des internen Meldeverfahrens in Unternehmen. Der Entwurf der Regelungen für das interne Meldeverfahren ist mit Gewerkschaftsvertretern oder, falls keine Gewerkschaftsvertreter im Betrieb tätig sind, mit Arbeitnehmervertretern abzustimmen. Die Abstimmung sollte zeitlich fünf bis zehn Tage ab Übersendung des Entwurfs der Regelungen des internen Meldeverfahrens an die einzubeziehenden Personen stattfinden. Das interne Meldeverfahren darf im Anschluss im Unternehmen bekannt gemacht werden und tritt sieben Tage danach in Kraft.

Nach dem polnischen Hinweisgeberschutzgesetz stellen das Versäumnis, das Meldeverfahren entsprechend zu implementieren, oder eine Implementierung unter wesentlicher Missachtung der gesetzlichen Anforderungen eine Ordnungswidrigkeit dar, die mit einer Geldstrafe von umgerechnet ca. 1.000 Euro geahndet werden kann. Sie kann den Personen auferlegt werden, die für die Einrichtung des internen Meldeverfahrens verantwortlich sind, d. h. in der Regel den Mitgliedern der Geschäftsführung.

3. Möglichkeit der Verwendung bestehender Meldeverfahren internationaler (deutscher) Unternehmensgruppen in Polen

Wenn eine deutsche oder internationale Unternehmensgruppe bereits länderübergreifend zentrale gruppenweite Meldekanäle für Hinweisgebende eingerichtet hat, die auch durch Mitarbeitende von Unternehmen der Gruppe in Polen genutzt werden sollen, müssen diese ggf. entsprechend den polnischen Vorschriften angepasst oder ergänzt werden.

Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz verbietet es Unternehmen grundsätzlich nicht, gruppenweite Meldekanäle einzurichten, die von sämtlichen Unternehmen innerhalb der Gruppe genutzt werden können. Damit ein gruppenweites, zentrales Meldeverfahren den Anforderungen des polnischen Rechts entspricht, muss es allerdings

(a) in polnischer Sprache verfügbar sein,

(b) polnischen Besonderheiten im Rahmen der Ausgestaltung des Meldeverfahrens entsprechen (der Meldekanal muss bspw. zusätzlich zur Meldung im Falle von Gesetzesverstößen auch für Meldungen zur Verletzung finanzieller Interessen des polnischen Fiskus verfügbar sein) und

(c) im Einklang mit dem vom polnischen Hinweisgeberschutzgesetz vorgeschriebenen Verfahren implementiert werden, d. h., Gewerkschafts- oder Arbeitnehmervertreter werden angehört und die Geschäftsführung der polnischen Gesellschaft hat im Anschluss einen formellen Beschluss über die Implementierung des Meldeverfahrens zu fassen. Eine Einführung des Meldeverfahrens auf Gruppenebene (z. B. durch die Konzernmuttergesellschaft) ist aus Sicht einer polnischen Gesellschaft nicht ausreichend, um das Meldeverfahren dort verbindlich zu implementieren.

Daher sollte das gruppenweite Meldeverfahren etwa einer deutschen Unternehmensgruppe vorab genau auf die Einhaltung der entsprechenden Anforderungen geprüft werden, damit es verbindlich in polnischen Gruppengesellschaften eingeführt werden kann. Diese Anforderungen dürften häufig nicht eingehalten sein, da der polnische Gesetzgeber die Regelungen zum polnischen Hinweisgeberschutz strenger ausgestaltet hat als in der Richtlinie vorgesehen.

4. Verpflichtung zur Implementierung eines lokalen Meldeverfahrens

Eine Verpflichtung zur Implementierung eines lokalen Meldeverfahrens in Polen kann sich aus der nach polnischem Recht eingeschränkten Möglichkeit der Zentralisierung von Meldekanälen ergeben. Das polnische Hinweisgeberschutzgesetz erlaubt die gemeinsame Nutzung von Ressourcen bei der Bearbeitung von Hinweisgebermeldungen (Zentralisierung des Meldekanals) nur Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten. In Deutschland wird die Einrichtung eines zentralen Konzernmeldekanals insbesondere unter Berufung auf die Gesetzesbegründung unabhängig von etwaigen Schwellenwerten für zulässig erachtet. Diese Ansicht ist allerdings nicht unumstritten. In Polen ist jedes Unternehmen, das den Schwellenwert von 249 Beschäftigten überschreitet, verpflichtet, innerhalb des Unternehmens selbst Personen zu benennen, die für die Bearbeitung von Hinweisgebermeldungen verantwortlich sind. In der Praxis vereinbaren Unternehmen das Bedürfnis zur Einrichtung eines zentralen Meldekanals und die rechtlichen Anforderungen zur Benennung lokaler Ansprechpartner typischerweise, indem ein zentralisierter Meldekanal eingerichtet wird, der allen Gruppengesellschaften offensteht, und soweit erforderlich zusätzlich in jedem Unternehmen eine Ansprechperson benannt wird, die für den Empfang von Hinweisgebermeldungen verantwortlich ist.

Fazit

Die Verpflichtungen nach dem polnischen Hinweisgeberschutzgesetz vervollständigen das Bild unterschiedlicher nationaler Umsetzungsgesetze zum Whistleblowing, die sich typischerweise infolge von EU-Richtlinien ergeben können. Grenzüberschreitend tätige Unternehmensgruppen haben sich in ihren Gruppengesellschaften bereits häufig aufgrund einer Vielzahl kleinerer, aber dennoch wesentlicher Abweichungen in den nationalen Umsetzungsgesetzen der EU-Mitgliedstaaten auf eine parallele Implementierung zentraler und lokaler Meldekanäle verlegt; diese Entwicklung macht auch bei der Implementierung in Polen nicht halt. Wichtig ist es deshalb, bei der Erfüllung der Pflicht zur Einrichtung eines Meldekanals nach dem polnischen Hinweisgeberschutzgesetz die besonderen nationalen Anforderungen einzuhalten.

Kontaktpersonen: Philip Nagel, Igor Schwenk, Michał Błądek