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Der Abfindungsschuldner bei Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils auf den Mitgesellschafter


Sieht die Satzung einer GmbH bei außerordentlicher Kündigung eines Gesellschafters die Abtretung seines Geschäftsanteils durch Gesellschafterbeschluss an einen Mitgesellschafter oder Dritten vor, liegt darin laut Oberlandesgericht (OLG) München (Urteil vom 16.01.2025 – Az.: 23 U 5949/22) ein aufschiebend bedingtes Angebot zum Abschluss eines dinglichen Abtretungsvertrags mit einem noch zu bestimmenden Vertragspartner. Schuldner des Abfindungsanspruchs bei der Übertragung ist nicht die GmbH, sondern der Erwerber.

Rechtlicher Hintergrund

Das GmbH-Recht kennt im Gegensatz zum Personengesellschaftsrecht (vgl. § 725 BGB oder §§ 161 Abs. 2, 130 Abs. 1 Nr. 2 HGB) kein gesetzliches Kündigungsrecht.

Im GmbH-Recht hat sich vor diesem Hintergrund die Vereinbarung eines vertraglichen Kündigungsrechts als Standard etabliert. Da der GmbH-Geschäftsanteil nicht anwächst, sondern auch nach der Austrittserklärung weiter besteht, erwirbt der GmbH-Gesellschafter nur einen Anspruch auf Abnahme (Verwertung) des Geschäftsanteils gegen Abfindung. Die Gesellschafterstellung endet erst mit Einziehung oder Abtretung.

Die GmbH kann für die Verwertung den Geschäftsanteil unter Beachtung der Kapitalerhaltungsregeln gegen Abfindung einziehen oder dessen Übertragung an sich, Mitgesellschafter oder Dritte verlangen. Es ist in aller Regel nach der Erklärung der vertraglich vereinbarten Kündigung ein Gesellschafterbeschluss zu fassen, der nähere Bestimmungen zur Verwertung trifft. Im Gesellschaftsvertrag sollten sich neben den Regelungen zur Einziehung auch Bestimmungen zur Verwertung und zur Abfindung finden.

In der Unternehmenspraxis zeigen sich immer wieder Lücken oder Ungenauigkeiten in den Regelungen des Gesellschaftsvertrags zu Kündigung und anschließender Verwertung, so auch in dem vom OLG München entschiedenen Fall.

Urteil des OLG München vom 16.01.2025 – Az.: 23 U 5949/22

Sachverhalt

Die Klägerinnen waren als Erbengemeinschaft Gesamtrechtsnachfolgerinnen des Gründungsgesellschafters der GmbH. Wegen tiefgreifender Streitigkeiten mit dem später beklagten Mitgesellschafter kündigten sie mit Schreiben vom 18.06.2018 den Gesellschaftsvertrag. In der Gesellschafterversammlung vom 19.12.2018 wurde die Fortsetzung der Gesellschaft beschlossen. Außerdem wurde folgender Beschluss gefasst:

„Die Erbengemeinschaft, bestehend aus […] tritt ihren Gesellschaftsanteil im Nennbetrag von 250.000,00 Euro an den […] ab. Dieser nimmt die Abtretung an.“

Die Abtretung von der Erbengemeinschaft auf den einzigen Mitgesellschafter wurde am 30.01.2019 notariell beurkundet. Nach der Kündigung forderten die Klägerinnen vom erwerbenden Mitgesellschafter die Zahlung der Abfindung.

§ 11 der Satzung der GmbH sah u. a. vor, dass bei einem Fortsetzungsbeschluss der Gesellschaft der kündigende Gesellschafter seinen Anteil abtreten oder dieser eingezogen werden kann.

§ 12 regelte die Abfindung und die diesbezüglichen Bewertungskriterien bzw. -verfahren. Ein Schiedsgutachter war vorgesehen, wenn keine Einigung über den Wert erzielt wird.

In der Satzung der Gesellschaft war ferner in § 10 Abs. 5 geregelt, dass bei der außerordentlichen Kündigung eines Gesellschafters die verbleibenden Gesellschafter die Übertragung des betroffenen Geschäftsanteils an sich oder einen Dritten beschließen könnten. Eigene Entgeltregelungen enthielt die Bestimmung nicht.

Die Klägerinnen blieben in erster Instanz mit ihrer Klage ohne Erfolg. Das Landgericht (LG) München (Urteil vom 02.09.2022 – Az.: 13 O 4383/21) entschied, dass sich der Abfindungsanspruch gegen die Gesellschaft richte und der Beklagte folglich nicht passivlegitimiert sei. Ergänzend wies das Gericht darauf hin, dass der Anspruch auf Zahlung der Abfindung aufgrund der zwischen den Gesellschaftern getroffenen Schiedsabrede auch nicht fällig sei.

Entscheidung

Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Anders als das Landgericht hat aber das OLG München den Beklagten als richtigen Anspruchsgegner angesehen.

Im Einzelnen:

1) Da die Klägerinnen außerordentlich gekündigt und der Mitgesellschafter dies akzeptiert habe, haben sich für das OLG München die Reaktionsmöglichkeiten des Beklagten als verbleibendem Gesellschafter nicht aus § 11 der Satzung, sondern aus § 10 Abs. 2 lit. d i. V. m. Abs. 5 ergeben. Eine Zusammenschau verschiedener Satzungsregelungen erlaube es dem verbleibenden Gesellschafter also, die Abtretung an sich selbst zu beschließen. Mit der gesellschaftsvertraglichen Übertragungsbestimmung sei, so das OLG München, nicht eine bloße schuldrechtlich wirkende Übertragungspflicht gewollt, sondern ein aufschiebend bedingtes Angebot zum Abschluss eines dinglichen Abtretungsvertrags mit dem von den übrigen Gesellschaftern im Beschluss vorzusehenden Vertragspartner.

Die Satzung der Gesellschaft habe nicht ergeben, dass die Wirksamkeit der Abtretung von der Zahlung des Entgelts abhängig sei. Im Gegenteil ergebe sich aus der Einziehungsregelung in § 10 Abs. 8 der Satzung, dass auch bei der Abtretung mit Zugang des Beschlusses beim betroffenen Mitgesellschafter die Bedingung und mithin die Wirksamkeit des Angebots der ausscheidenden Gesellschafterinnen zur Abtretung ihres Geschäftsanteils an den Beklagten eintrete. Dies sei laut OLG München auch mit Blick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichthofs (BGH) nicht zu beanstanden (BGH NJW 2023, 3164 ff.). Der Mitgesellschafter als Vertragspartner habe das Angebot spätestens in der notariellen Urkunde angenommen.

2) Auch wenn im Regelungszusammenhang des § 10 Abs. 5 der Satzung ein ausdrücklicher Verweis auf § 12 der Satzung fehle, ergebe sich der Anspruch auf Abfindung aus § 12 Abs. 2 der Satzung, indem ein „übriger Fall des Ausscheidens“ vorliege. Das Gericht hat dabei seine Argumentation auch auf die Überlegung gestützt, dass ein Ausschluss der Abfindung sittenwidrig wäre. Dieser Gedanke steht u. E. allerdings im Widerspruch zur Rechtsprechung zu sittenwidrigen Beschränkungen der Abfindung, die eine Nichtigkeit der entsprechenden Regelungen und keine geltungserhaltende Auslegung bejaht.

3) Der beklagte Mitgesellschafter sei – anders als erstinstanzlich angenommen – schließlich zutreffender Adressat des Abfindungsanspruchs. Auch wenn die Satzung ebenfalls keine ausdrückliche Regelung zum Schuldner bei einer Beschlussfassung nach § 10 Abs. 5 enthalte, folge doch aus dem Regelungszusammenhang, dass der Erwerber und nicht die Gesellschaft zahlungspflichtig sei. Zwar sei grundsätzlich die Gesellschaft zur Abfindung nach Einziehung verpflichtet, jedoch habe der BGH schon entschieden, dass bei anschließender Verwertung durch Abtretung der Erwerber Schuldner der Abfindung sei (NZG 2020, 1067 ff.).

Im vorliegenden Fall stünden diesem Ergebnis auch keine schutzwürdigen Belange der Klägerinnen als ausscheidende Gesellschafterinnen entgegen, indem ihnen ein nicht zahlungskräftiger Schuldner für die Abfindung aufgedrängt worden sei. Es handle sich zum einen um eine bewusste Entscheidung der Gesellschafter, zum anderen seien die Gesellschafter untereinander auch durch die Treuepflicht daran gehindert, Gesellschafter bewusst zu benachteiligen – unabhängig davon, dass der Aspekt bei nur einem Mitgesellschafter ohnehin nicht greife.

4) Die Klage ist im Ergebnis aber auch in zweiter Instanz mangels Fälligkeit des Abfindungsanspruchs der Klägerinnen erfolglos geblieben. Gemäß § 12 Abs. 4 der Satzung müsse bei Uneinigkeit der Gesellschafter ein Schiedsgutachter den Wert des Geschäftsanteils feststellen. Die ausgeschlossenen Gesellschafterinnen hätten ein entsprechendes Schiedsgutachten nicht vorprozessual eingeholt, obwohl sie dazu verpflichtet gewesen wären. Die erforderliche Feststellung könne nicht durch das Gericht vorgenommen werden. Die Berufung des Beklagten auf die Schiedsgutachtenabrede sei schließlich auch nicht deshalb rechtsmissbräuchlich, weil sich der Unternehmenswert leicht ermitteln lasse oder weil das in der Satzung festgelegte Verfahren schon im Zeitpunkt der Satzungserrichtung veraltet gewesen sei.

Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG München verdeutlicht die Notwendigkeit, das Ausscheiden von Gesellschaftern im Gesellschaftsvertrag einer GmbH in allen Varianten und mit allen Details und Rechtsfolgen zu regeln. Jedes Ausscheiden eines Gesellschafters hat gegen eine angemessene Abfindung zu erfolgen. Daher sind im Gesellschaftsvertrag neben den Regelungen zur Einziehung auch Bestimmungen zur Verwertung und zur Abfindung – einschließlich der Person des Anspruchsgegners für die Zahlung der Abfindung – zu empfehlen.

Kontaktperson: Dr. Christian Bosse