Einleitung
Die FSR ist eine Verordnung der EU, die seit dem 12.07.2023 gilt und die Wettbewerbsregeln der EU ergänzt. Während die Beihilfevorschriften nur für die von den EU-Mitgliedstaaten gewährten Beihilfen gelten, soll mit der FSR der Gefahr begegnet werden, dass drittstaatliche Subventionen den Binnenmarkt verzerren. Die FSR lehnt sich insbesondere in formeller Hinsicht stark an das EU-Kartellrecht an. Die auf der Grundlage der FSR zu prüfende materiellrechtliche Frage, ob drittstaatliche Subventionen den Binnenmarkt verzerren, verdeutlicht aber die eigenständige Bedeutung dieser relativ neuen Verordnung. Genau für diese materiellrechtliche Frage soll das Staff Working Document nun Klarstellungen treffen.
Nachfolgend stehen Unternehmenszusammenschlüsse im Mittelpunkt, die nicht nur nach fusionskontrollrechtlichen Vorschriften, sondern auch auf der Basis der FSR von der Kommission überprüft werden können.
Zur Erinnerung: Anmeldepflichtig vor Vollzug sind nach der FSR insbesondere solche Zusammenschlüsse, bei denen entweder
und
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Zu betonen ist, dass die von der FSR vorgegebene Prüfung einer möglichen Verzerrung des Binnenmarktes durch drittstaatliche Subventionen im Fall der Zusammenschlusskontrolle auf den konkreten Zusammenschluss beschränkt ist. Dieser geforderte Zusammenhang kann etwa bestehen, weil die drittstaatlichen Subventionen schon für den Erwerbsvorgang genutzt werden oder auf die Aktivitäten der so entstehenden neuen Einheit nach Closing einen den Binnenmarkt verzerrenden Einfluss haben können. Je nachdem, wie diese materiellrechtliche Prüfung ausgeht, kann die Kommission beschließen, keine Einwände zu erheben (Freigabe) bzw. den Zusammenschluss zu untersagen (Untersagung). Möglich ist auch, dass die Kommission die von den Parteien angebotenen Verpflichtungen für bindend erklärt, um eine Verzerrung des Binnenmarktes vollständig und wirksam zu beseitigen (Verpflichtungsbeschluss), was mit einer Freigabe unter Bedingungen oder Auflagen vergleichbar ist.
Verzerrung auf dem Binnenmarkt
Nach der FSR liegt generell eine Verzerrung auf dem Binnenmarkt vor, wenn
Die FSR nennt ergänzend einige (nicht abschließende) Indikatoren, um eine Verzerrung gemäß den vorgenannten Voraussetzungen auf dem Binnenmarkt ermitteln zu können. Zu diesen Indikatoren zählen etwa die Höhe und die Art der drittstaatlichen Subvention. Laut der Kommission müssen diese Indikatoren nicht zwingend vorliegen, werden von der Kommission aber im Einzelfall im erforderlichen Umfang ihrer Entscheidung zugrunde gelegt werden, um eine Verzerrung des Binnenmarktes feststellen zu können.
Nach dem Staff Working Document erfordert die erste der vorgenannten Voraussetzungen, dass die Kommission einen Zusammenhang zwischen der drittstaatlichen Subvention und den Aktivitäten des Unternehmens im Binnenmarkt herstellen kann. Dies soll laut der Kommission – prima facie – etwa dann der Fall sein, wenn das Unternehmen im Binnenmarkt tätig ist und von einem Drittstaat unmittelbar ein zinsloses Darlehen erhält. Anders hingegen sei die Situation dann, wenn eine Tochtergesellschaft, die nicht in der EU tätig ist, eine drittstaatliche Subvention erhält (und tatsächlich verwendet), um eine Geschäftstätigkeit in einem Drittstaat zu entwickeln. Auch wenn der Zusammenhang mit dem Binnenmarkt nicht sofort ersichtlich sein sollte, behält sich die Kommission vor, genau zu prüfen, ob ein solcher Zusammenhang etwa durch Quersubventionierungen hergestellt werden kann.
Im Hinblick auf die zweite der vorgenannten Voraussetzungen betont die Kommission, dass ihr durch die drittstaatliche Subvention bedingte potenzielle Verzerrungen bzw. Wettbewerbsbeeinträchtigungen ausreichen. Die Auswirkungen auf den Wettbewerb können zudem im Hinblick auf jede aktuelle oder wahrscheinliche Tätigkeit des betreffenden Unternehmens im Binnenmarkt überprüft werden (etwa der Erwerb anderer Unternehmen oder die Errichtung einer Produktionsstätte). Entscheidend ist insoweit, ob der Wettbewerb hinsichtlich dieser Tätigkeit im Binnenmarkt durch die drittstaatliche Subvention negativ beeinflusst wird bzw. werden kann.
Terminologisch wird von der Kommission klargestellt, dass mit „Verzerrung auf dem Binnenmarkt“ negative Auswirkungen auf den Wettbewerb im Binnenmarkt gemeint sind, dieses Konzept aber durch die Entscheidungspraxis konkretisiert werden muss.
Unterschied zum EU-Beihilfenrecht
Die Kommission weist darauf hin, dass eine Verzerrung auf dem Binnenmarkt nach der FSR nicht mit dem Konzept der Wettbewerbsverfälschung im Beihilfenrecht identisch ist:
Nach den Regelungen des Beihilfenrechts liege eine Verfälschung des Wettbewerbs bereits vor, wenn die Beihilfe dem begünstigten Unternehmen einen Vorteil verschaffe, indem das Unternehmen von Kosten befreit werde, die es ansonsten im Geschäftsalltag tragen müsste.
Im Gegensatz hierzu könne die Kommission nach der FSR nicht annehmen, dass die drittstaatliche Subvention zu einer Verzerrung auf dem Binnenmarkt führe, nur weil das begünstigte Unternehmen eine Geschäftstätigkeit in einem Sektor im Binnenmarkt ausübe, in dem (aktuell oder potenziell) Wettbewerb herrsche. Vielmehr müsse die Kommission insoweit ermitteln, ob eine Verzerrung aufgrund des Vorliegens von Indikatoren, wie sie in der FSR genannt würden, angenommen werden könne.
Unterschied zum EU-Fusionskontrollrecht
Auf der Grundlage der EU-Fusionskontrollverordnung prüft die Kommission, ob durch den Zusammenschluss wirksamer Wettbewerb im Gemeinsamen Markt oder in einem wesentlichen Teil davon erheblich behindert würde (sog. SIEC-Test).
Nach der FSR prüft die Kommission hingegen, ob durch die drittstaatliche Subvention (im Zusammenhang mit dem Zusammenschluss) Verzerrungen auf dem Binnenmarkt herbeigeführt werden.
Die Kommission weist in dem Staff Working Document dementsprechend darauf hin, dass derselbe Zusammenschluss sowohl am Maßstab der EU-Fusionskontrollverordnung als auch auf der Grundlage der FSR überprüft werden kann, aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtungen beider Regelwerke möglicherweise aber nur nach einer dieser Verordnungen problematisch ist.
Die Abwägungsprüfung
In jedem Fall kann die Kommission die negativen Auswirkungen einer drittstaatlichen Subvention in Form der Verzerrung auf dem Binnenmarkt gegen die positiven Auswirkungen der Subvention abwägen. Hierfür benötigt sie entsprechende Informationen, die sie im Regelfall von den betroffenen Parteien (aber auch von Dritten) erhalten sollte.
Von der Kommission zu berücksichtigen sind zum einen positive Auswirkungen der Subvention auf die Entwicklung der betreffenden subventionierten wirtschaftlichen Tätigkeit auf dem Binnenmarkt. Geprüft werden können aber auch andere positive Auswirkungen der drittstaatlichen Subvention wie etwa die umfassenderen positiven Auswirkungen in Bezug auf die einschlägigen politischen Ziele, insbesondere die der EU.
Die Kommission betont, gegenwärtig noch nicht ausreichend Erfahrung zur Anwendung und Auslegung der Abwägungsprüfung nach der FSR gesammelt zu haben. Sie nennt aber einige Ziele der EU, die eben auch durch drittstaatliche Subventionen erreicht werden können (etwa Umweltschutz, ein hoher Sozialstandard, die Förderung von Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten). Generell könnten auch solche positiven Auswirkungen eine Rolle spielen, die nach beihilfenrechtlichen Überlegungen einschlägig wären.
Je nachdem, wie diese Abwägungsprüfung ausgeht, kann die finale Entscheidung der Kommission von einer Freigabe des Zusammenschlusses bis zu einer Untersagung reichen.
Ausblick
Die Kommission bemüht sich mit ihrem Staff Working Document vom 26.07.2024 um eine erste Konturierung des materiellrechtlichen Prüfungsmaßstabs der FSR. Hier werden weitere Leitlinien folgen.
Wichtig ist im Zusammenhang mit Unternehmenszusammenschlüssen die Klarstellung, dass die Prüfung einer möglichen Verzerrung auf dem Binnenmarkt durch drittstaatliche Subventionen auf den konkreten Zusammenschluss beschränkt ist. Auch kommt die Kommission nicht umhin, eine Verzerrung anhand von in der FSR nicht abschließend aufgezählten Indikatoren zu ermitteln, die selbst noch etwas konturlos bleiben. Dasselbe gilt für die Abwägungsprüfung, die den betroffenen Unternehmen zumindest die Möglichkeit bietet, positive Auswirkungen drittstaatlicher Subventionen darzulegen und so eine für sie vorteilhaftere Entscheidung der Kommission herbeizuführen.