Menschen schütteln Hände im Büro

Und täglich grüßt ... der Informationsaustausch


Erst im Juni-Newsletter hatten wir auf die weiterhin große kartellrechtliche Relevanz des Themas Informationsaustausch hingewiesen und waren auf einzelne in der Praxis oft zu findende Irrtümer eingegangen (Informationsaustausch und Kartellrecht– nicht neu, aber immer wieder aktuell). Unmittelbar im Nachgang dazu hat der EuGH in seiner Entscheidung vom 29.07.2024 (Rechtssache C-298/22) dies nicht nur bestätigt, sondern den Maßstab für kartellrechtlich kritischen Informationsaustausch noch einmal verschärft. 

Kein Austausch vertraulicher und strategischer Informationen

Der Entscheidung des EuGH vom 29.07.2024 (Rechtssache C‑298/22) lag ein Rechtsstreit in Portugal zugrunde. Die dortige Wettbewerbsbehörde (Autoridade da Concorrência) hatte 2019 gegen mehrere Kreditinstitute wegen Verstoßes gegen das Kartellverbot (u. a. gegen Art. 101 AEUV) Bußgelder im dreistelligen Millionenbereich verhängt – darunter die sechs größten Kreditinstitute in Portugal. Die Behörde warf den Banken vor, sich über mehrere Jahre unzulässig zu für ihre Kreditgeschäfte geltende Bedingungen, insbesondere zu aktuellen und künftigen Risikoparametern, sowie zu individualisierten Produktionszahlen (d. h. Geschäftsabschlüssen) ausgetauscht zu haben. Dabei ging die Behörde davon aus, dass allein der Informationsaustausch eine sogenannte bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt, sodass es keines Nachweises eines weiter gehenden wettbewerbswidrigen Verhaltens der beteiligten Kreditinstitute bedurfte. Entsprechend warf die Behörde den Unternehmen dann auch nicht etwa zusätzlich eine über den reinen Informationsaustausch hinausgehende Abstimmung von Preisen, Konditionen oder eine Marktaufteilung vor. 

Genau dies griffen einige der bebußten Kreditinstitute an und machten in ihren Rechtsmitteln gegen die Bußgeldentscheidung geltend, dass der fragliche Informationsaustausch nicht per se wettbewerbschädlich gewesen sei und es einer weiter gehenden Untersuchung dazu bedurft hätte. Das angerufene Tribunal da Concorrência, Regulação e Supervisão (Gericht für Wettbewerb, Regulierung und Aufsicht, Portugal) legte die Sache mangels entsprechender Präzedenz dem EuGH vor. 

Der EuGH hat die Einschätzung der portugiesischen Kartellbehörde bestätigt. Wirtschaftsteilnehmer müssten – so der EuGH – nicht nur selbstständig bestimmen, welche Politik sie auf dem Binnenmarkt betreiben wollen, sondern zugleich und in einem weiteren Sinne im Ungewissen über das künftige Verhalten der anderen Teilnehmer auf dem betreffenden Markt bleiben. Ein Informationsaustausch, der es ermöglicht, eine solche Ungewissheit zu beseitigen, könne somit als eine Form der verbotenen Koordinierung zwischen Unternehmen angesehen werden. Hierfür genüge es, dass es sich bei den ausgetauschten Informationen um solche handle, die sowohl vertraulich als auch strategisch seien. 

EuGH gibt Guidance für die Praxis

Des Weiteren hat der EuGH einzelne sehr praxisrelevante Aspekte vertieft und gibt so eine weiter gehende Guidance für die Rechtsanwendung und kartellrechtliche Compliance. 

Ein bloßer Informationsaustausch könne auch dann als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu bewerten sein, wenn sich erst durch Kombination mit anderen ausgetauschten oder gegebenenfalls frei zugänglichen Informationen aus Sicht eines aktiven, vernünftigen Marktteilnehmers künftige Absichten anderer Marktteilnehmer ableiten ließen. Es kommt also nicht nur auf die Qualität und Quantität der ausgetauschten Informationen, die Regelmäßigkeit des Austauschs usw. an, sondern auch auf die weiteren Umstände. 

Ferner hat der EuGH klargestellt, dass das Bestehen gesetzgeberischer Offenlegungspflichten bestimmter Informationen nicht gegen die Unzulässigkeit eines Informationsaustauschs spricht, wenn mehr Informationen ausgetauscht werden, als gesetzlich gefordert ist, und zudem die Informationen zeitlich eher ausgetauscht werden, als sie aufgrund der gesetzgeberischen Pflichten veröffentlicht würden. Insbesondere der letzte Punkt hat erfahrungsgemäß Praxisrelevanz. Denn es kommt regelmäßig vor, dass bestimmte Informationen z. B. im Rahmen von Geschäftsberichten o. Ä. veröffentlicht werden und sie damit ihre kartellrechtliche Relevanz verlieren. Ein Blick auf die Entscheidung des EuGH zeigt also, dass auch im Falle von Offenlegungspflichten deren Umgang und Zeitpunkt zu beachten sind. 

In eine ähnliche Richtung geht der letzte hier angesprochene Punkt der Entscheidung. So hat der EuGH den Einwand der Kreditinstitute zurückgewiesen, der Austausch einiger der fraglichen Informationen habe rein tatsächlich keine Auswirkungen auf den Wettbewerb haben können. Denn einige der ausgetauschten Kreditkonditionen seien nur sehr kurze Zeit nach Austausch – zum Teil noch am selben Tag – bereits öffentlich zugänglich gemacht worden. Zudem sei den jeweils anderen Banken eine Reaktion auf diese Information in Form von angepassten Kreditangeboten nur mit frühestens einigen Wochen Vorlauf möglich gewesen. Es könne also für den tatsächlichen Wettbewerb keine entscheidende Rolle spielen, ob die Informationen unmittelbar vor oder nach der Veröffentlichung ausgetauscht würden. Der EuGH ist hier vergleichsweise formal geblieben. Er hat schlicht entgegnet, dass der Austausch vor Veröffentlichung in jedem Fall dazu geführt habe, dass eine Reaktion der anderen Kreditinstitute jeweils schneller ermöglicht worden sei, als dies ohne den Austausch der Fall gewesen sei. 

Fazit

Die Entscheidung des EuGH verdeutlicht einmal mehr die Relevanz des Themas Informationsaustausch. Kartellbehörden und Gerichte sind entschlossen, sich mit dem Thema intensiv zu beschäftigen und unzulässiges Verhalten zu ahnden. Für einen Kartellrechtsverstoß reicht der Austausch vertraulicher strategischer Informationen, einer weiter gehenden wettbewerbsbeschränkenden Absprache bedarf es nicht. 

Das Vorgehen, insbesondere die Entscheidung des EuGH, mag dabei teilweise recht formal anmuten. Insbesondere der vom EuGH nun entschiedene Sachverhalt zeigt aber auch, dass es gerade an diesen formalen Stellen an und für sich einfach ist, sich kartellrechtskonform zu verhalten. So wäre es vermutlich für die Kreditinstitute unproblematisch möglich gewesen, den Austausch bestimmter Kreditkonditionen so aufzusetzen, dass er nur solche Informationen umfasst, die ohnehin veröffentlicht werden, und er auch erst nach deren jeweiliger Veröffentlichung stattfindet. 

Kontaktpersonen: Hubertus Kleene


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