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Mitwirkung der Betriebsräte bei der Einführung von IT-Systemen


Die Einführung neuer IT-Systeme erfordert oft mehr als nur technische Planung – auch der Betriebsrat hat ein Wörtchen mitzureden. Doch wann greift sein Mitbestimmungsrecht und welche Hürden entstehen dadurch für Arbeitgeber? Der folgende Artikel beleuchtet, wann welcher Betriebsrat mitbestimmen darf, welche Herausforderungen dies für Arbeitgeber in der Praxis mit sich bringt und welche neuen Entwicklungen sich aus der Rechtsprechung ergeben könnten. 

Wann hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht?

Gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG hat der Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung technischer Einrichtungen, die dazu bestimmt sind, das Verhalten oder die Leistung der Arbeitnehmer zu überwachen. Dies betrifft insbesondere IT-Systeme, die Informationen über Mitarbeitende sammeln oder verarbeiten. In der Praxis fallen hierunter beispielsweise auch Reisebuchungs- oder Schulungstools, Software zur Erfassung von Arbeitszeiten oder auch Programme, über die ausgewertet werden kann, wann der Mitarbeiter welche Eingaben gemacht hat.

Weite Auslegung durch die Rechtsprechung

Die Rechtsprechung hat den Anwendungsbereich von § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG in den letzten Jahren kontinuierlich erweitert. Fast jedes IT-System, das Mitarbeiterdaten verwertet, fällt potenziell unter die Mitbestimmung, auch wenn es nicht explizit zur Überwachung konzipiert ist. Dazu gehören auch Standardprogramme wie z. B. Microsoft Office 365 oder CRM-Systeme, die zwar primär zur Optimierung betrieblicher Abläufe genutzt werden, aber gleichzeitig auch Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Produktivität der Mitarbeitenden zulassen.

Diese weite Auslegung stellt Arbeitgeber vor erhebliche Herausforderungen. Jede Einführung eines IT-Systems kann eine Mitbestimmungspflicht auslösen, die unter Umständen langwierige Verhandlungen mit dem Betriebsrat erfordert. Da technische Entwicklungen und Updates oft sehr schnell voranschreiten, können sich solche Verhandlungen als problematisch erweisen: Bis eine Einigung erreicht ist, ist unter Umständen bereits eine neue Version des Systems auf dem Markt. Dies kann dazu führen, dass Unternehmen auf veraltete Systeme zurückgreifen müssen, bis die Mitbestimmung durch den Betriebsrat abgeschlossen ist.

Praktische Probleme für Arbeitgeber

Das Betriebsverfassungsgesetz stammt aus den 1950er-Jahren – einer Zeit, in der die dynamische Entwicklung der IT-Landschaft in ihrem heutigen Ausmaß noch nicht vorhersehbar war. Die damals formulierten Regelungen, die primär für analoge Systeme konzipiert wurden, lassen sich auf moderne IT-Systeme nur bedingt übertragen. Die Praxis zeigt, dass Verhandlungen mit dem Betriebsrat zeitintensiv und komplex sein können und teilweise externe Beratung erfordern, um die technischen und datenschutzrechtlichen Auswirkungen zu verstehen. Die hohe Geschwindigkeit, mit der neue IT-Systeme entwickelt werden, steht dabei im Gegensatz zu den vorhandenen Verhandlungsprozessen. Hieraus ergeben sich für Arbeitgeber erhebliche Herausforderungen, da sie meist schnell auf die technologische Entwicklung reagieren müssen.

Zuständigkeit der Betriebsräte bei der Einführung von IT-Systemen

Ein weiterer entscheidender Aspekt bei der Einführung von IT-Systemen ist die Klärung, welcher Betriebsrat jeweils zuständig ist. Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit beim örtlichen Betriebsrat, sofern ausschließlich ein einzelner Betrieb betroffen ist. In der Praxis gestaltet sich die Situation jedoch häufig komplexer. Insbesondere in größeren Unternehmen oder Konzernen werden IT-Systeme häufig standort- oder unternehmensübergreifend implementiert, was dazu führen kann, dass der Gesamt- oder Konzernbetriebsrat zuständig ist. Zu berücksichtigen ist aber auch, wo die Datenverarbeitung oder -speicherung erfolgt. Auch hieraus kann sich die Zuständigkeit bestimmter Betriebsräte ergeben.

Entwicklungen in der Rechtsprechung zeigen, dass die Zuständigkeit oft beim Gesamt- oder Konzernbetriebsrat gesehen wird, insbesondere wenn betriebsübergreifende Datentransfers stattfinden oder zentrale Systemadministratoren eingebunden sind. In diesen Fällen müssen die Arbeitgeber nicht mit einer Vielzahl örtlicher Betriebsräte verhandeln, sondern können direkt das zentrale Gremium einbinden.

Ein solches Vorgehen kann für Arbeitgeber durchaus vorteilhaft sein, da die Verhandlungen durch die Konsolidierung mit dem Gesamt- oder Konzernbetriebsrat effizienter geführt und Entscheidungen oftmals schneller getroffen werden können. Es ist daher sinnvoll, bereits im Vorfeld zu prüfen, ob die Einführung mehrere Betriebe betrifft, um rechtzeitig das zentrale Gremium einzubeziehen. Allerdings sollte bedacht werden, dass auch Gesamt- oder Konzernbetriebsräte in der Regel umfangreiche Prüfungen vornehmen, was den Prozess nicht zwingend verkürzt.

Zu beachten ist, dass die Zuständigkeit der Betriebsräte auch besteht, wenn die Entscheidung zur Einführung eines IT-Systems auf globaler Ebene getroffen wird. Selbst in solchen Fällen, in denen die Einführung konzernweit und international beschlossen wird, bleibt für die Mitbestimmung der hiesige Konzernbetriebsrat zuständig.

Einschränkungen des Mitbestimmungsrechts bei der Nutzung externer Tools

In jüngster Zeit zeichnet sich in der Rechtsprechung eine Tendenz ab, die den eigentlichen Schutzzweck des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG wieder stärker in den Fokus rücken könnte. So hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) beispielsweise entschieden, dass die Nutzung des Routenplaners Google Maps zur Überprüfung von Reisekostenabrechnungen eines Mitarbeiters kein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats begründet. Ausschlaggebend war hierbei, dass bei einer solchen Nutzung keine automatisierte Überprüfung des Mitarbeiters durch das System erfolgt. Vielmehr werden Daten manuell in das Programm eingegeben und der Routenplaner dient lediglich als technisches Hilfsmittel. Diese Entscheidung zeigt, dass nicht jede Nutzung von IT-Systemen automatisch ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats auslöst.

Bemerkenswert an dieser und ähnlichen Entscheidungen ist, dass die betroffenen Tools nicht auf den Servern der Arbeitgeber installiert sind. Stattdessen handelt es sich um frei zugängliche Softwarelösungen im Internet, deren Nutzung durch den Arbeitgeber lediglich genehmigt wurde. Neben Google Maps fallen auch andere Beispiele unter diese Kategorie, etwa die Nutzung von ChatGPT oder Social-Media-Plattformen. Die Rechtsprechung zeigt hier eine Linie: Solange es sich um externe Tools handelt, die nicht in die betrieblichen IT-Systeme integriert sind und keine automatische Überwachung von Mitarbeitenden ermöglichen, wird ein Mitbestimmungsrecht in der Regel abgelehnt. Ein umfassenderes Verständnis für die Herausforderungen und Chancen der Einführung und Nutzung der Künstlichen Intelligenz schafft der Artikel von unserer Kollegin Xenia Rupp aus Dezember 2023.

Fazit

Durch die weitgehende Auslegung des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG ist nahezu jedes IT-System, das Mitarbeiterdaten verarbeitet, mitbestimmungspflichtig.

Um unnötige Verzögerungen zu vermeiden und Verhandlungen effizient zu gestalten, sollten Arbeitgeber daher frühzeitig den jeweils zuständigen Betriebsrat in die Planung einbeziehen. Eine sorgfältige rechtliche Prüfung vor der Einführung neuer IT-Systeme ist unerlässlich, um potenzielle Konflikte zu minimieren und um eine reibungslose Implementierung zu gewährleisten. 

Kontaktpersonen: Franziska Hofmann-Behnke; Bärbel Kuhlmann