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Lieferkettensorgfalt im Rahmen des Due-Diligence-Prozesses

Das im vergangenen Jahr in Kraft getretene Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) verpflichtet Unternehmen, innerhalb ihrer Wertschöpfungsketten bestimmte Umweltstandards und Menschenrechte zu achten. Zum 01.01.2024 wurde der Anwendungsbereich erneut erweitert, sodass ca. 3.000 deutsche Unternehmen von den Regelungen betroffen sind. Doch wie ist das Gesetz genau ausgestaltet? Und welche Auswirkungen wird es künftig auf M&A-Transaktionen haben?

  • Das LkSG verpflichtet Unternehmen mit mindestens 1.000 Arbeitnehmern, Umwelt- und Menschenrechtsstandards in ihren Lieferketten einzuhalten.
  • Die Umsetzung und Einhaltung der Sorgfaltspflichten soll Risiken entlang der Wertschöpfungsketten minimieren.
  • Verstöße gegen das LkSG können mit Bußgeldern von bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen weltweiten Jahresumsatzes geahndet werden.
  • Die Einrichtung eines Risikomanagements ist erforderlich, um menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken zu erkennen und sie gezielt anzugehen.
  • Weitreichende Auswirkungen sind zunehmend auch auf M&A-Transaktionen zu erwarten.

Das Gesetz gibt scheinbar klar formulierte Sorgfaltspflichten vor, die unternehmerische Verantwortlichkeiten definieren und zum Handeln auffordern sollen, um etwaigen Verletzungen gezielt vorzubeugen. 

Besondere Bedeutung erlangen die Vorgaben des Gesetzes durch die Sanktionsandrohung. Zwar statuiert das LkSG nach derzeitigem Stand gemäß seinem § 3 Abs. 3 LkSG keine zivilrechtliche Haftung (wobei eine unabhängig vom LkSG begründete zivilrechtliche Haftung weiterhin möglich ist); dennoch sieht das Gesetz auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vollstreckungsmechanismus Bußgelder vor. Für deren Überwachung und Durchsetzung ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zuständig. Die Bußgelder sind gegenüber natürlichen Personen gestaffelt bis zu 800.000 Euro (§ 24 Abs. 2 LkSG), gegenüber juristischen Personen gestaffelt bis zu 8.000.000 Euro möglich, wobei nach § 24 Abs. 3 LkSG sogar die Möglichkeit einer Erhöhung auf bis zu 2 Prozent des durchschnittlichen (weltweiten) Jahresumsatzes eröffnet ist.

Anwendungsbereich

Das LkSG stellt zu seiner Anwendbarkeit im Grundsatz auf die Arbeitnehmerzahl ab. Betroffen waren zunächst seit dem 01.01.2023 Unternehmen, die

  • ihre Hauptverwaltung, ihre Hauptniederlassung, ihren Verwaltungssitz oder ihren satzungsmäßigen Sitz in Deutschland haben und in der Regel 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen, zu denen auch ins Ausland entsendete Arbeitnehmer zählen, oder
  • eine Zweigniederlassung im Inland haben und in dieser Zweigniederlassung in der Regel mindestens 3.000 Arbeitnehmer beschäftigen.

Seit dem 01.01.2024 ist dieser Schwellenwert auf nun 1.000 Arbeitnehmer herabgesetzt (§ 1 Abs. 1 a.E. LKSG).

Darüber hinaus ist nach dem ausdrücklichen Gesetzeswortlaut der Begriff des Unternehmens rechtsformneutral ausgestaltet. Rechtsträger eines Unternehmens können damit sowohl eine natürliche als auch eine juristische Person oder eine rechtsfähige Personengesellschaft sein. Das LkSG wirkt sich aber nach der Gesetzeskonzeption wie auch der Handreichung des BAFA auch auf Unternehmen aus, die nicht unmittelbar in den Anwendungsbereich fallen, aber Zulieferer oder Tochtergesellschaft eines vom Gesetz verpflichteten Unternehmens sind:

„Denn verpflichtete Unternehmen müssen die gesetzlich vorgegebenen menschenrechts- und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten auch in Bezug auf nicht-verpflichtete Unternehmen in ihren Lieferketten beachten, wenn diese als Tochtergesellschaften Teil des eigenen (zugerechneten) Geschäftsbereichs oder unmittelbare oder (unter bestimmten Voraussetzungen) mittelbare Zulieferer sind. Verpflichtete Unternehmen werden aus diesem Grund in vielen Fällen darauf angewiesen sein, mit nicht-verpflichteten Unternehmen – ob Tochtergesellschaften oder Zulieferer im In- oder Ausland – zusammenzuarbeiten, um ihre eigenen gesetzlichen Sorgfaltspflichten zu erfüllen. Dies setzt bereits mit der Einrichtung eines Risikomanagementsystems ein, bei dem die Interessen der Beschäftigten und der in sonstiger Weise durch das wirtschaftliche Handeln potenziell Betroffenen in der Lieferkette angemessen zu berücksichtigen sind.“

Ferner heißt es:

„Unterstützung oder Mitarbeit von nicht-verpflichteten Unternehmen dürften verpflichtete Unternehmen daneben vor allem in Bezug auf folgende ihrer Sorgfaltspflichten benötigen: Risikoanalyse, Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen, Beschwerdeverfahren.“ (Handreichung des BAFA, Zusammenarbeit in der Lieferkette zwischen verpflichteten Unternehmen und ihren Zulieferern, S. 2, Stand: 02.02.2024)

Lieferkette und eigener Geschäftsbereich

Nach dem LkSG umfasst die Lieferkette eines Unternehmens i. S. d. § 2 Abs. 5 LkSG sowohl das Handeln seiner direkten und indirekten Zulieferer als auch seines eigenen Geschäftsbereichs. Unter den eigenen Geschäftsbereich fällt jene eigene Tätigkeit eines Unternehmens, die zur Erreichung des Unternehmensziels beiträgt (§ 2 Abs. 6 Satz 1 LkSG). § 2 Abs. 6 Satz 2 konkretisiert dies dahingehend, dass damit jede eigene Tätigkeit des Unternehmens zur Herstellung und Verwertung von Produkten und zur Erbringung von Dienstleistungen erfasst ist. Dabei soll es nicht darauf ankommen, ob diese Tätigkeit an einem Unternehmensstandort im In- oder im Ausland erbracht wird. Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 3 LkSG zählen konzernangehörige Gesellschaften zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft, sofern diese auf sie bestimmenden Einfluss ausübt.

Einhaltung der Sorgfaltspflichten

Fällt die Gesellschaft in den Anwendungsbereich des LkSG und ist die Adressateneigenschaft geklärt, geht es darum, die Einhaltung der vom Gesetzgeber vorgeschriebenen Sorgfaltspflichten zu überprüfen. Hierfür bietet es sich an, die Einhaltung der lieferkettenspezifischen Sorgfaltspflichten anhand der Vorgaben des gesetzgeberischen Kanons zu überprüfen:

  1. Nach § 4 LkSG müssen Unternehmen ein angemessenes und wirksames Risikomanagement einrichten, das in allen maßgeblichen Geschäftsabläufen durch angemessene Maßnahmen zu verankern ist. Ein Unternehmen muss im Rahmen des Risikomanagements nur solche menschenrechtlichen und umweltbezogenen Risiken berücksichtigen, die es verursacht oder zu denen es beigetragen hat, unabhängig davon, ob die Risiken im eigenen Geschäftsbereich, bei einem unmittelbaren Zulieferer oder bei einem mittelbaren Zulieferer entstehen. Dementsprechend bietet es sich für Unternehmen an, sich einen Überblick darüber zu verschaffen, wo und in welchen ihrer Geschäftsfelder eine Anfälligkeit für menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken besteht.
  2. Nach § 5 LkSG schreibt das Gesetz eine Risikoanalyse für ein wirksames Risikomanagement durch das betroffene Unternehmen vor. Dieses soll die relevanten Risiken im eigenen Geschäftsbereich sowie bei unmittelbaren Zulieferern ermitteln, gewichten und sodann priorisieren. Unter den Voraussetzungen des § 9 LkSG sind auch die mittelbaren Zulieferer in diese Analyse mit einzubeziehen.
  3. Nach § 6 LkSG muss einem identifizierten Risiko mit den in § 6 Abs. 2–4 LkSG vorgesehenen Präventionsmaßnahmen entgegengetreten werden. Teil der Präventionsmaßnahmen ist darüber hinaus die Abgabe einer Grundsatzerklärung der Geschäftsleitung.
  4. Werden tatsächliche Verletzungen festgestellt, so hat das Unternehmen nach § 7 LkSG entsprechende Abhilfemaßnahmen zu ergreifen.
  5. Zudem gehört es nach § 8 LkSG zu den erforderlichen Sorgfaltspflichten, ein angemessenes unternehmensinternes Beschwerdeverfahren einzurichten, das es ermöglicht, auf menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken oder Verletzungen der korrespondierenden Pflichten hinzuweisen.
  6. Informatorische Grundlage der öffentlich-rechtlichen Durchsetzung der Sorgfaltspflichten ist die Dokumentationspflicht nach § 10 Abs. 1 Satz 1 LkSG. Danach hat das Unternehmen die Erfüllung der Sorgfaltspflichten unternehmensintern zu dokumentieren. Darüber hinaus ist ein jährlicher Bericht über die Erfüllung der Sorgfaltspflichten zu erstellen und spätestens vier Monate nach Ende des Geschäftsjahres auf der Internetseite des Unternehmens zu publizieren, § 10 Abs. 2 LkSG.

Bedeutung für die Due Diligence im Rahmen von M&A-Transaktionen

Das LkSG gewinnt auch im Zusammenhang mit M&A-Transaktionen und hier insbesondere im Zuge der Due-Diligence-Prüfung an Bedeutung. Da in der Regel in Transaktionsprozessen keine Zeit für Vor-Ort-Besuche und detaillierte Analysen der einzelnen Wertschöpfungsketten bleiben dürfte, können die oben aufgeführten erforderlichen Maßnahmen und Sorgfaltspflichten im Due-Diligence-Prozess (z. B. im Rahmen eines Q&A-Prozesses oder einer Legal Expert Session) abgefragt und anlassbezogen einer näheren Untersuchung unterzogen werden.

Auswirkungen auf die Zielgesellschaft im Rahmen einer Unternehmenstransaktion

Mit Blick auf die Zielgesellschaft und den Verkäufer geht es letztlich um den Nachweis der Einhaltung der Sorgfaltspflichten. Zu diesem Zwecke ist es ratsam, frühzeitig einen transparenten Überblick über die eigene Lieferkette zu gewinnen, insbesondere bei Tätigkeiten in sensiblen Geschäftsbereichen, da es sonst für den Käufer kaum möglich ist, im Vorfeld eine Bewertung vorzunehmen. Darüber hinaus dürfte es auch ratsam sein, dass potenzielle Zielunternehmen ihre eigenen Verpflichtungen frühzeitig auf die gesamte Lieferkette ausdehnen, zum Beispiel durch allgemeine Geschäftsbedingungen, mit denen sich Lieferanten verpflichten, bestimmte Menschenrechts- und Umweltstandards einzuhalten.

Auswirkungen des LkSG auf den (potenziellen) Investor

Ganz gleich, ob es sich um einen finanziellen oder um einen strategischen Investor handelt, erlangen die Sorgfaltspflichten des LkSG im Rahmen der Transaktion Relevanz. Kernelement der auferlegten Pflichten ist die oben bereits erwähnte anlassbezogene Risikoanalyse nach § 5 Abs. 4 LkSG. Diese erfolgt, sofern das Unternehmen mit einer wesentlich veränderten oder wesentlich erweiterten Risikolage in der Lieferkette rechnen muss, etwa durch die Einführung neuer Produkte, Projekte oder eines neuen Geschäftsfeldes. Das Gesetz ist hier nach überwiegender Ansicht offen und nicht abschließend formuliert, sodass der Erwerb eines Unternehmens Auslöser für die anlassbezogene Analysepflicht sein kann. Entscheidender Zeitpunkt dürfte danach nicht der Vollzug der Transaktion, sondern vorgelagert bereits die hinreichende Konkretisierung des Vorhabens sein. Darüber hinaus ist stets zu bedenken, dass der Unternehmenserwerb als eine Erweiterung des eigenen Geschäftsbereichs im Sinne des LkSG gesehen werden kann, da auch verbundene Unternehmen nach §§ 15 ff. AktG zum eigenen Geschäftsbereich der Obergesellschaft zählen, sofern diese bestimmenden Einfluss ausübt (das wird bei dem Erwerb von 100 Prozent der Gesellschaftsanteile wohl regelmäßig der Fall sein). Dies ist insbesondere bei einer strategischen Akquisition bzw. Verschmelzung von Bedeutung.

Europäisches Regelungsvorhaben

Nach langen Verhandlungen haben sich im Dezember 2023 der Europäische Rat und das Europäische Parlament vorläufig über den Inhalt der sog. Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) geeinigt. Die auch als „Europäisches Lieferkettengesetz“ bezeichnete Richtlinie wird nach dem jetzigen Stand das deutsche LkSG nochmals verschärfen. Hervorzuheben sind insbesondere niedrigere Schwellenwerte für den Anwendungsbereich, das Aufgreifen konkreter Klimaschutzmaßnahmen (Einhaltung des Pariser Klimaabkommens), die Sorgfalt für eine erweiterte Wertschöpfungskette sowie die Einführung einer im deutschen Gesetzgebungsprozess höchst umstrittenen zivilrechtlichen Haftung. Insbesondere die geplante zivilrechtliche Haftung, wonach es für Betroffene möglich sein soll, innerhalb von fünf Jahren ihre Ansprüche geltend zu machen, birgt ein erhebliches Risiko für betroffene Unternehmen, das im Rahmen einer Unternehmenstransaktion zu einem erhöhten Prüfaufwand führen dürfte. Zu beachten ist zudem die Ausweitung von Sanktionsmechanismen durch nationale Aufsichtsbehörden. So können gegen ein Unternehmen Geldbußen verhängt und ferner im Sinne des „naming and shaming“ veröffentlicht werden, was nachhaltige Reputationsschäden zur Folge haben könnte. Inwieweit das europäische Regelungsvorhaben tatsächlich umgesetzt wird, ist derzeit höchst fraglich. So könnte das Gesetz insbesondere an der Blockadehaltung der FDP scheitern.

Ausblick und Praxishinweis

Aufgrund des offensichtlichen Bedeutungsgewinns von Verantwortlichkeit für das Handeln global agierender Unternehmen ist die Beachtung von ehemals als „Soft Law“ verschrienen internationalen Regelungen heute dringender denn je (siehe zu einem angemessenen ESG-Risiko-Management auch „Auf einen Blick: Kernelemente eines angemessenen ESG-Risiko-Managements“). Für Unternehmenstransaktionen ist die Einhaltung der gesetzten Standards beim Zielunternehmen in die Standardprüfung der Legal Due Diligence aufzunehmen. Da der Käufer während des Due-Diligence-Prozesses im Regelfall nur über begrenzte Informationen zu den jeweiligen Lieferketten des Zielunternehmens verfügt, sollte er darauf bestehen, dass der Verkäufer mindestens alle wesentlichen Lieferketten nebst der zugrunde liegenden Dokumentation sowie Prüfungsergebnisse (sofern vorhanden) des Zielunternehmens offenlegt. In Abhängigkeit von den identifizierten Risiken und eventuell erkannter Verstöße oder Hinweise auf mögliche Verstöße dürfte es von nun an geboten sein, im Rahmen der Kaufvertragsverhandlungen zusätzlich zu entsprechenden lieferkettenbezogenen Garantien noch auf umfassende Freistellungserklärungen zu setzen. Darüber hinaus sind stets die Auswirkungen einer Unternehmenstransaktion auf die Bestimmung des eigenen Geschäftsbereichs bzw. die Eröffnung des Anwendungsbereichs des LkSG für den Investor im Auge zu behalten.

Kontaktpersonen: Dr. Sebastian Merkel, Antonia Steinert