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Inflationsausgleichsprämie: Verknüpfung mit zukünftiger Betriebstreue und Stichtag


Eine einmalige Prämie von bis zu 3.000 Euro ohne Vergütungscharakter darf mit einer Bindungsklausel versehen werden. Arbeitgeber können mit einer Inflationsausgleichsprämie gemäß § 3 Nr. 11c EStG somit auch zukünftige Betriebstreue belohnen (LAG Düsseldorf, Urteil vom 23.04.2024, Az.: 14 SLa 9/24).

Überblick:

  • Gemäß § 3 Nr. 11c EStG konnten Arbeitgeber ihren Arbeitnehmern im Zeitraum vom 26.10.2022 bis zum 31.12.2024 steuerfreie Inflationsausgleichsprämien in Höhe von bis zu 3.000 Euro gewähren.
  • Solche Prämien sollen in erster Linie die gestiegenen Verbraucherpreise abmildern, können aber auch an Voraussetzungen wie Betriebstreue oder einen Stichtag gebunden werden. Insoweit hat das Urteil auch für mögliche zukünftige Inflationsausgleichsprämien Bedeutung.

Sachverhalt 

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Inflationsausgleichsprämie. Der Kläger war bis Ende 2022 bei der Beklagten beschäftigt, zuletzt als Vertriebsassistent. Mitte November 2022 gab die Beklagte über das betriebliche Intranet bekannt, dass allen Arbeitnehmern, die nicht bis zum 31.03.2023 aus eigenem Verschulden oder auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen ausscheiden, mit dem Gehalt für Dezember 2022 eine freiwillige steuer- und sozialabgabenfreie Inflationsausgleichsprämie gezahlt werde. Sofern das Arbeitsverhältnis bis zum Stichtag am 31.03.2023 doch durch Kündigung beendet werden sollte, ohne dass dafür ein wichtiger Grund bestehe, sollte die Prämie zurückgezahlt werden müssen. Der Kläger kündigte sein Arbeitsverhältnis zum 31.12.2022 und verlangte dennoch die Zahlung der Prämie. Er vertrat die Ansicht, dass die Voraussetzung der Betriebstreue nicht mit den gesetzlichen Regelungen zur Inflationsausgleichsprämie vereinbar sei. Es handle sich um eine unklare allgemeine Geschäftsbedingung, da die finanzielle Entlastung der Prämie nicht mit der Betriebstreue verknüpft werden dürfe. Eine Stichtagsregelung aufgrund des Mischcharakters der Klausel sei unzulässig.

Das Arbeitsgericht Wuppertal hat die Klage in erster Instanz abgewiesen. Die Verknüpfung der Inflationsausgleichsprämie mit der Betriebstreue sei rechtmäßig, sie stelle weder einen Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch eine unangemessene allgemeine Geschäftsbedingung dar.

Entscheidung

Das LAG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und entschieden, dass er keinen Anspruch auf die Inflationsausgleichsprämie habe, da er die Voraussetzung, bis zum 31.03.2023 nicht freiwillig aus dem Arbeitsverhältnis auszuscheiden, nicht erfüllt habe. Als Gesamtzusage stelle die Mitteilung der Beklagten aus November 2022 eine allgemeine Geschäftsbedingung i. S. d. §§ 305 ff. BGB dar. Daran sei folglich auch die Stichtags- und Rückzahlungsklausel zu bemessen. Deren Auslegung ergebe, dass die Inflationsausgleichsprämie neben dem sozialen Ziel des Ausgleichs inflationsbedingter Mehrkosten auch der Belohnung zukünftiger Betriebstreue diene. Nach Ansicht des LAG dürfe der Arbeitgeber mit der Zahlung der Inflationsausgleichsprämie gemäß § 3 Nr. 11c EStG zusätzlich die Betriebstreue honorieren, da weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus den Gesetzgebungsmaterialien hervorgehe, dass weitere Ziele ausgeschlossen seien. Nach der Gesetzgebungshistorie solle die Prämie eine Lohn-Preis-Spirale unterbinden, indem sie eine Einmalzahlung im Vergleich zu einer prozentualen Lohnerhöhung attraktiver gestalte. Das Bundesfinanzministerium hat zudem in den FAQ zur Inflationsausgleichsprämie klargestellt, dass die Prämie an Voraussetzungen wie die Betriebszugehörigkeit gebunden werden kann.

Das Motiv antizipierter Betriebstreue widerspreche auch nicht dem gesetzgeberischen Ziel der Abmilderung erhöhter Verkaufspreise, da die Beklagte die Preissteigerungen durch die Stichtagsregelung zwar nicht für alle, aber für einen erheblichen Teil ihrer Arbeitnehmer teilweise ausgleiche.

Die Klausel sei schließlich auch nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen benachteiligend. Ein Arbeitgeber dürfe grundsätzlich Sonderzahlungen mit Bindungsklauseln versehen, solange sie nicht auch als Gegenleistung für bereits erbrachte Arbeit dienen. Entscheidend sei, dass nicht in das Synallagma eingegriffen und dem Arbeitnehmer verdientes Entgelt wieder entzogen wird. Die Auslegung ergebe, dass die Inflationsausgleichsprämie nicht der Vergütung erbrachter Arbeitsleistung diene. Weder beeinflusse ein potenzielles Ruhen des Arbeitsverhältnisses und somit eine Suspendierung der Hauptleistungspflichten die Gewährung noch stelle die Prämie einen wesentlichen Teil der Gesamtvergütung dar. Auch sei sie nicht an die Erreichung qualitativer oder quantitativer Ziele geknüpft gewesen. Vielmehr sei sie höher, wenn das Gehalt und damit der von der Beklagten beurteilte Wert der Arbeitsleistung geringer seien. Ob die Formulierung der Klausel ihren Anwendungsbereich auf Beendigungsgründe beschränkt habe, die in der Sphäre des Arbeitnehmers liegen, müsse im Übrigen nicht beurteilt werden, da die Bedingung der Nichtbeendigung des Arbeitsverhältnisses auch andernfalls nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei. Der Arbeitgeber könne unabhängig vom Verhalten des Arbeitnehmers die fortdauernde Betriebszugehörigkeit als solche über den Stichtag hinaus zur Voraussetzung der Sonderzahlung machen, weil sich ihre motivierende Wirkung nur bei den Arbeitnehmern entfalten könne, die dem Betrieb noch oder noch einige Zeit angehören.

Die Klausel ist daher wirksam und verstößt weder gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz noch gegen die Grundsätze zur Dauer der Bindungsfristen. Das LAG hat die Revision aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung des Falls zugelassen.

Praxishinweis

Eine Inflationsausgleichsprämie darf neben dem Inflationsausgleich auch der Belohnung zukünftiger Betriebstreue dienen, ohne dass die steuerliche Privilegierung verloren geht. Voraussetzungen für eine wirksame Bindungsklausel sind, dass die Prämie keine Vergütung bereits erbrachter Arbeitsleistung darstellt, dass die Rückzahlungsbedingungen klar und transparent ausgestaltet sind und der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz gewahrt wird. Mit dem LAG ist insbesondere davon auszugehen, dass Inflationsausgleichsprämien ohne weitere Anhaltspunkte grundsätzlich nicht arbeitsleistungsbezogen sind und daher prinzipiell auch mit einer Bindungsklausel versehen werden können.

Kontaktpersonen: Dr. Marko Loose, Janina Preißinger