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Green-Claims-Richtlinie, quo vadis?


Die Europäische Kommission hat bereits im März 2023 ihren Vorschlag für eine Green-Claims-Richtlinie veröffentlicht, mit der Greenwashing eingedämmt und das Vertrauen der Verbraucher in umweltfreundliche Produkte gestärkt werden soll. Das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben sich inzwischen ebenfalls positioniert. Fest steht: Die Anforderungen an Werbung mit Umweltaussagen sollen (weiter) verschärft werden. Die gleiche Tendenz zeigt eine aktuelle Entscheidung des BGH.

Einleitung und Kontext

Werden Produkte und Dienstleistungen umweltfreundlicher dargestellt, als sie in Wirklichkeit sind, ist dies irreführend gegenüber Verbrauchern und unfair gegenüber Wettbewerbern, die tatsächlich um ihre Umweltbilanz bemüht sind. Die EU hat dem sog. Greenwashing daher den Kampf angesagt und dafür zwei wesentliche regulative Ansätze gewählt:

(i) Mit der Richtlinie (EU) 2024/825 zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel („Empowering consumers for the green transition“, kurz: „EmpCo-Richtlinie“) wurden die Anforderungen an Werbung mit Umweltaussagen bereits wesentlich verschärft. Dafür wurde kein neues Regelungsregime geschaffen, sondern insbesondere die Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken geändert, indem neue Tatbestände in die „schwarze Liste“ der per se verbotenen Praktiken aufgenommen wurden. Zukünftig sind danach zum Beispiel untersagt:

  • Nachhaltigkeitssiegel, die nicht auf einem Zertifizierungssystem beruhen oder von staatlichen Stellen festgesetzt wurden
  • allgemeine Umweltaussagen wie „umweltfreundlich“, „grün“, „biobasiert“ oder „energieeffizient“, wenn die „anerkannte hervorragende“ Umweltleistung, auf die sich die Aussage bezieht, nicht nachgewiesen werden kann
  • Umweltaussagen zum gesamten Produkt oder zur gesamten Geschäftstätigkeit eines Unternehmens, wenn sie sich tatsächlich nur auf einen bestimmten Aspekt des Produkts oder des Unternehmens beziehen

Zudem wird es nicht mehr möglich sein, Produkte oder Dienstleistungen mit Begriffen wie „klimaneutral“ oder „CO2-positiv“ zu bewerben, wenn sich die Emissionsvorteile auch aus der Kompensation von Treibhausgasemissionen ergeben. Daraus folgt zwar kein generelles Werbeverbot mit Kompensationsmaßnahmen. Aussagen dazu, dass ein Produkt hinsichtlich der Treibhausgasemissionen neutrale, reduzierte oder positive Wirkungen auf die Umwelt habe, sollen aber nur dann zulässig sein, wenn sie auf tatsächlichen Auswirkungen auf den Lebenszyklus des betreffenden Produkts beruhen. Die EmpCo-Richtlinie ist bereits in Kraft getreten und muss bis März 2026 in nationales Recht umgesetzt werden. Anwendbar müssen die nationalen Bestimmungen bis zum 27.09.2026 sein.

(ii) Beabsichtigt ist, das allgemeine Irreführungsverbot und diese Regelungen durch die sog. Green-Claims-Richtlinie zu ergänzen, die konkrete Mindestanforderungen an die Begründung, Überprüfung und Kommunikation von Umweltaussagen und Umweltzeichen einführen soll. Anders als die EmpCo-Richtlinie ist die Green-Claims-Richtlinie zwar noch nicht verabschiedet, das EU-Gesetzgebungsverfahren ist aber bereits fortgeschritten.

Status quo der Green-Claims-Richtlinie

Einen ersten – öffentlich viel diskutierten – Vorschlag für eine „Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Begründung ausdrücklicher Umweltaussagen und die diesbezügliche Kommunikation (Richtlinie über Umweltaussagen)“ hat die Europäische Kommission bereits im März 2023 veröffentlicht. Etwa ein Jahr später hat sich das Europäische Parlament zu dem Entwurf positioniert und sowohl redaktionelle als auch inhaltliche Anpassungen vorgenommen. Am 17.06.2024 hat dann der Rat der Europäischen Union seinen Standpunkt zur Green-Claims-Richtlinie festgelegt. Die allgemeine Ausrichtung des Rates soll als Grundlage für Trilogverhandlungen über die finale Fassung der Richtlinie dienen. Mit Inkrafttreten der Richtlinie wird frühestens Ende des Jahres 2024 gerechnet. Anschließend hätten die Mitgliedsstaaten 18 Monate Zeit, um die Richtlinie in nationales Recht umzusetzen, das dann 24 Monate nach Inkrafttreten der Richtlinie anwendbar sein muss.

Überblick zum Regelungsinhalt

Nach dem Entwurf zur Green-Claims-Richtlinie müssen die EU-Mitgliedstaaten zukünftig sicherstellen, dass Unternehmen ihre Umweltaussagen begründen. Dazu sollen Unternehmen zunächst eine Bewertung vornehmen, die – neben vielen weiteren Mindestanforderungen –

  • auf wissenschaftlichen Erkenntnissen und dem neuesten Stand der Technik beruht,
  • alle wichtigen Aspekte und Auswirkungen der Umweltleistung berücksichtigt und
  • feststellt, ob positive Entwicklungen zu einer erheblichen Verschlechterung anderer Auswirkungen führen.

Vorgesehen sind zudem Anforderungen an die Kommunikation umweltbezogener Aussagen. So sollen Umweltaussagen in bestimmten Fällen zum Beispiel Informationen darüber erhalten, wie Verbraucher das beworbene Produkt nutzen sollten, um dessen erwartete Umweltleistung zu erreichen.

Schließlich sollen die Begründung einer Umweltaussage und die diesbezügliche Kommunikation durch unabhängige akkreditierte Prüfstellen überprüft werden. Vor Ausstellung einer Konformitätsbescheinigung durch die Prüfstelle dürfen Aussagen nicht veröffentlich werden. Die Green-Claims-Richtlinie wählt insoweit den Ansatz einer Ex-ante-Überprüfung.

Für die Überwachung und Durchsetzung der Richtlinienvorgaben sollen die Mitgliedstaaten zuständige Behörden benennen und abschreckende Sanktionsmaßnahmen erlassen.

Der Rat der Europäischen Union hat im Rahmen seiner kürzlich veröffentlichten Allgemeinen Ausrichtung den im Kommissionsvorschlag vorgesehenen Ansatz einer Ex-ante-Überprüfung von Umweltaussagen beibehalten und insgesamt nur mit Blick auf einzelne Punkte Bedarf zur Nachschärfung gesehen. So wird beispielsweise ein vereinfachtes Verfahren für bestimmte Arten von Umweltaussagen vorschlagen. Während die Kommission und auch das Europäische Parlament noch weitgehende Ausnahmen für Kleinstunternehmen vorgesehen haben, sollen diese aus Sicht des Rates – nach einer Übergangszeit – jedoch ebenfalls erfasst werden.

Aktuelle Rechtslage in Deutschland

Es ist allgemein bekannt, dass bei der Werbung mit Umweltaussagen bereits heute Sorgfalt geboten ist. In Deutschland ist diese Werbung insbesondere an dem lauterkeitsrechtlichen Irreführungsverbot der §§ 5 und 5a des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) sowie tendenziell strenger Rechtsprechung zu messen.

So hat der BGH jüngst mit Urteil vom 27.06.2024 (Az. I ZR 98/23) über die Zulässigkeit von Werbung mit dem Begriff „klimaneutral“ entschieden, eine Frage, mit der sich Instanzgerichte in der Vergangenheit bereits wiederholt beschäftigt haben. Dabei hat der BGH betont, dass im Bereich der umweltbezogenen Werbung – wie im Bereich gesundheitsbezogener Werbung – die Irreführungsgefahr besonders groß sei und ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen bestehe. Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ verwende, müsse daher zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich sei. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung seien insoweit nicht ausreichend. Eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ sei im konkreten Fall insbesondere deshalb erforderlich, weil die Reduktion und die Kompensation von CO2-Emissionen keine gleichwertigen Maßnahmen zur Herstellung von Klimaneutralität darstellten, sondern die Reduktion gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig sei.

Fazit und Ausblick

Mit Umsetzung der EmpCo-Richtlinie dürften die Anforderungen an „klimaneutrale“ Werbung und allgemein umweltbezogene Aussagen weiter steigen.

Auch wenn die finale Fassung und die Verabschiedung der Green-Claims-Richtlinie noch ausstehen, sind Unternehmen gut beraten, bei der Planung zukünftiger Kommunikation neben den bestehenden Vorgaben durch Gesetz und Rechtsprechung auch die (absehbaren) Implikationen der beiden EU-Richtlinien zu berücksichtigen.

Kontaktpersonen: Johanna BattmerHubertus Kleene