Rechtsprechung zum Immobilienrecht
EuGH-Entscheidung zur notariellen Beurkundung unter Beteiligung russischer juristischer Personen – kein Verstoß gegen die sog. Russland-Sanktionen
Der EuGH hat sich in einem aktuellen Fall (Urteil vom 05.09.2024 – Az.: C‑103/23) mit der Frage befasst, ob die notarielle Beurkundung und Beglaubigung von Rechtsgeschäften unter Beteiligung einer in Russland ansässigen juristischen Person unter das Verbot der Erbringung von Rechtsberatungsdienstleistungen gem. Art. 5n Abs. 2 lit. b der Verordnung Nr. 833/2014 (sog. Russland-Sanktionen) fällt. Aufseiten der (deutschen) Notare bestand erhebliche Unsicherheit darüber, ob es sich bei der notariellen Beurkundungs- und Vollzugstätigkeit um „Dienstleistungen auf dem Gebiet der Rechtsberatung“ im Sinne der Verordnung handelt oder ob vielmehr entscheidend ist, dass der Notar als Träger eines öffentlichen Amtes eine Amtstätigkeit ausübt.
Konkret hatte der EuGH zu klären, ob die Beurkundung eines Kaufvertrags (sowie die damit verbundenen Tätigkeiten des Notars) über eine in Deutschland belegene Immobilie, die einer in Russland niedergelassenen juristischen Person gehört, durch einen deutschen Notar als Rechtsberatung im Sinne der genannten Verordnung zu qualifizieren ist.
Unter Bezugnahme auf andere EuGH-Entscheidungen (Urteile vom 30.04.2024, Trade Express-L und DEVNIA TSIMENT, Az.: C‑395/22 und C‑428/22) hat der EuGH zunächst klargestellt, dass die übliche Bedeutung des Begriffs „Rechtsberatung“ eine Stellungnahme zu einer Rechtsfrage umfasst, die auf einer Beziehung zwischen einem Dienstleistungserbringer und seinem Mandanten beruht. Die Tätigkeit eines Notars bei der Beurkundung eines Kaufvertrags und die damit verbundenen Amtshandlungen wie die Löschung von Belastungen und die Umschreibung im Grundbuch seien von dieser Definition jedoch zu unterscheiden. Sie dienten nicht der Förderung spezifischer Interessen einer Partei, sondern der Rechtspflege.
Folglich, so der EuGH, fallen die Beurkundung eines Kaufvertrags über eine Immobilie, die im Eigentum einer in Russland ansässigen juristischen Person steht, sowie die Vollzugshandlungen des Notars nicht unter das Verbot der Erbringung von Dienstleistungen auf dem Gebiet der Rechtsberatung im Sinne der Russland-Sanktionen.
Mit dieser Entscheidung schafft der EuGH Klarheit für die notarielle Praxis: Notarielle Tätigkeiten wie die Beurkundung von Rechtsgeschäften sind auch unter Beteiligung einer in Russland niedergelassenen juristischen Person zulässig, ohne gegen die Russland-Sanktionsvorschriften der EU zu verstoßen.
Notarverträge über Bestandsimmobilien sind keine AGB
Das OLG Hamm hat in einem Beschluss vom 04.07.2024 – Az.: 22 U 26/24 klargestellt, dass Vertragsklauseln in notariellen Kaufverträgen über Grundstücke mit Bestandsimmobilien (als Bestandsimmobilien werden alle Immobilien bezeichnet, die vollständig entwickelt sind, bei denen also keine weiteren Baumaßnahmen oder Erschließungen erforderlich sind), die von Notaren wiederholt verwendet werden, in der Regel nicht als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) anzusehen sind. Dies liege daran, dass keine der Vertragsparteien diese Klauseln vorgebe, was aber wiederum ein wesentliches Kriterium für das Vorliegen von AGB gemäß § 305 Abs. 1 Satz 1 BGB sei. Klauseln, die von einem neutralen Dritten wie etwa einem Notar formuliert wurden, könnten nicht automatisch einer Vertragspartei zugerechnet werden, es sei denn, eine Partei hat den Notar mit der Formulierung beauftragt. Der Senat betont, dass die wiederholte Nutzung einer Klausel durch einen Notar allein nicht ausreicht, um sie als AGB zu qualifizieren.
Diese Entscheidung hat Bedeutung für die Rechtspraxis, da sie einerseits die gängige Praxis der Notare bestätigt, andererseits aber hervorhebt, dass Achtsamkeit gefragt ist, weil in Ausnahmefällen eine andere Beurteilung möglich sein könnte und die Entscheidung beispielsweise nicht einschlägig ist, wenn die Parteien selber den Vertrag entworfen haben.
Rechtsprechung zum Mietrecht
Im Zweifel: Pauschale oder Vorauszahlung vereinbart?
Gegenstand der Entscheidung des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 23.04.2024 – Az.: 715 C 91/23 war ein Bungalow-Mietvertrag, bei dem mangels entsprechender Eintragung zwischen den Parteien streitig war, ob die Nebenkosten in Form einer Pauschale oder einer Vorauszahlung vereinbart waren. Nach der Entscheidung des Gerichts kann bei einem Formularmietvertrag ohne Eintragungen in den Kästchen für „einen Pauschalbetrag“ und „eine Vorauszahlung“ durch Auslegung eine Nebenkostenpauschale als vereinbart gelten. Diese Interpretation wird durch die Tatsache gestützt, dass über mehrere Jahre hinweg die Miete ohne Forderung nach Abrechnungen bezahlt wurde und andere Betriebskosten als „inbegriffen“ gekennzeichnet waren. Das Gericht sieht darin einen Hinweis darauf, dass die Parteien ursprünglich von einer Pauschalvereinbarung ausgingen. Die Entscheidung mahnt zur Vorsicht, da eine langjährige Handhabung es dem Vermieter erschweren kann, nachträglich eine Vereinbarung über Nebenkostenvorauszahlungen durchzusetzen.
Auf unbestimmte Zeit geschlossener Mietvertrag: Ist § 544 BGB anwendbar?
Das Landgericht Berlin II hat in einem Urteil vom 30.05.2024 – Az.: 65 S 189/23 klargestellt, dass zwischen der Vereinbarung einer Mietzeit von (über) 30 Jahren einerseits und der Vereinbarung einer unbestimmten Laufzeit in Verbindung mit einem Kündigungsausschluss andererseits zu differenzieren ist. Hintergrund ist § 544 BGB, der es jeder Vertragspartei ermöglicht, nach Ablauf von 30 Jahren einen auf längere Zeit geschlossenen Mietvertrag außerordentlich zu kündigen. Das Gericht betont, dass ein auf unbestimmte Zeit laufender Mietvertrag, bei dem der Vermieter nicht kündigen kann, kein befristetes Mietverhältnis über 30 Jahre darstelle, sondern als unbefristetes Mietverhältnis zu behandeln sei. § 544 BGB sei nicht unmittelbar auf unbefristete Verträge anwendbar, selbst wenn diese tatsächlich länger als 30 Jahre bestehen. Eine Kündigung nach mehr als 30 Jahren auf der Basis von § 544 BGB sei somit nicht (unmittelbar) möglich.
Das Gericht weist weiter darauf hin, dass ein unbefristeter (Wohnraum-)Mietvertrag, der länger als 30 Jahre andauere, nicht ohne Weiteres vom Vermieter gekündigt werden könne, da dies dem Schutz des sozialen Wohnraummietrechts widerspräche. Der Bundesgerichtshof hat noch nicht entschieden, ob bei einem dauerhaften Ausschluss der ordentlichen Kündigung eine außerordentliche Kündigung nach 30 Jahren möglich ist, aber die Instanzgerichte und die Literatur gehen allgemein davon aus. Es wird daher nicht empfohlen, den Anwendungsbereich des § 544 BGB durch das Auslassen einer ausdrücklichen Befristung zu umgehen.
Ausschlussfrist für Betriebskostenabrechnung in Mieter-AGB wirksam?
Eine Klausel in den AGB eines gewerblichen Mietvertrags, mit der der Mieter eine Frist von sechs Monaten für die Betriebskostenabrechnung festlegt, ist unwirksam – so zumindest das Urteil des Amtsgerichts Hamburg vom 26.06.2024 – Az.: 49 C 635/23. Konkret sah die Klausel vor, dass Nachforderungen des Vermieters nach Ablauf von sechs Monaten nach Ende der Abrechnungsperiode ausgeschlossen sind, es sei denn, der Vermieter ist nicht für die Verzögerung verantwortlich und teilt dies dem Mieter innerhalb derselben Frist mit geeigneten Belegen mit. Das Gericht befand, dass diese Regelung gegen § 307 BGB verstoße und zu einer unangemessenen Benachteiligung des Vermieters führe, da dieser oft nicht in der Lage sei, Verzögerungsgründe rechtzeitig darzulegen oder Belege vorzulegen, insbesondere bei nachträglich festgesetzten Gebühren wie der Grundsteuer. Infolge der vom Gericht festgestellten Unwirksamkeit der formularvertraglichen Ausschlussfrist gab es im streitgegenständlichen Sachverhalt keine Frist für die Abrechnung der Betriebskosten.
Diese Entscheidung unterstreicht die Notwendigkeit einer wirksamen Vereinbarung hinsichtlich der Abrechnungsfrist in gewerblichen Mietverhältnissen. Im Gegensatz zum Wohnraummietrecht (wo die Frist gemäß § 556 Abs. 3 Satz 2 BGB zwölf Monate nach Ende des Abrechnungszeitraums beträgt) gibt es für gewerbliche Mietverhältnisse keine entsprechenden gesetzlichen Regelungen. Hier dürften sich ohne entsprechende Vertragsvereinbarungen die Grenzen für die Betriebskostenabrechnungsfrist allenfalls aus den Grundsätzen der Verwirkung ergeben.
BGH stärkt Vermieterrechte bei der Verrechnung von Kautionen
In einer wegweisenden Entscheidung hat der BGH die Rechte von Vermietern gestärkt, indem er klargestellt hat, dass Vermieter berechtigt sind, auch verjährte Schadensersatzforderungen wegen Beschädigung der Mietsache mit dem Kautionsrückzahlungsanspruch des Mieters zu verrechnen (BGH, Urteil vom 10.07.2024 – Az.: VIII ZR 184/23). In dem zugrunde liegenden Fall hatten die Vorinstanzen dem Mieter Recht gegeben und die Rückzahlung der Kaution angeordnet, da der Vermieter seine Schadensersatzansprüche erst nach Ablauf der Verjährungsfrist geltend gemacht hatte.
Der BGH hat dieser Auffassung widersprochen und betont, dass die Verjährung der Schadensersatzansprüche nicht die Aufrechnung gegen die Kautionsrückforderung des Mieters hindere. Die kurze Verjährungsfrist von sechs Monaten für Ansprüche des Vermieters wegen Veränderungen und Verschlechterungen der Mietsache solle zwar der Rechtssicherheit dienen, aber die Barkaution diene primär als Sicherung der Vermieteransprüche, die eine einfache Befriedigung durch Aufrechnung ermöglichen solle. Die Sache wurde zur weiteren Aufklärung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen, um die vom Vermieter behaupteten Schäden zu prüfen.
Ausblick aus der Gesetzgebung
Am 29.07.2024 hat das Bundesministerium der Justiz den Referentenentwurf für das Gebäudetyp-E-Gesetz veröffentlicht. Mit diesem Gesetz soll das Planen und Bauen in Deutschland vereinfacht und kostengünstiger gestaltet werden. Durch Änderungen im Werkvertragsrecht soll es künftig möglich sein, von kostenintensiven Baustandards wie Komfort- und Ausstattungsmerkmalen abzuweichen. Das Gesetz soll die Planungsfreiheit fördern und gleichzeitig die hohen Sicherheitsstandards beibehalten.
Der Begriff „Gebäudetyp E“ steht symbolisch für eine flexible und innovative Bauweise, die sich von den etwa 20.000 baurelevanten Regelungen, darunter über 4.000 DIN-Normen, teilweise befreit. Insbesondere Komfort- und Ausstattungsmerkmale werden nicht mehr automatisch als „allgemein anerkannte Regeln der Technik“ gelten. Diese Einstufung soll es ermöglichen, solche Anforderungen zu reduzieren, ohne die Sicherheit des Bauwerks zu gefährden.
Wesentlich ist dabei die Neuerung, dass Bauverträge zwischen fachkundigen Unternehmern künftig rechtssicher von den allgemein anerkannten Regeln der Technik abweichen können sollen, ohne dass dies als Sachmangel gewertet wird. Voraussetzung dafür ist, dass Funktionstüchtigkeit, Sicherheit und dauerhafte Gebrauchstauglichkeit des Bauwerks auf anderem Weg gewährleistet sind und der Unternehmer die Abweichung vorab anzeigt. Dies bietet mehr Flexibilität im Bauprozess und könnte die Baukosten erheblich senken.
Das Gesetz wird voraussichtlich Anfang 2025 in Kraft treten. Parallel dazu arbeitet das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen an weiteren Reformen im Rahmen des „Bau-Turbo-Paktes“, um das Planen und Genehmigen von Bauvorhaben weiter zu beschleunigen. Auch darüber halten wir Sie informiert.