Blick auf modernen Wohnkomplex bei Sonnenaufgang

Bedeutende Entwicklungen aus dem Immobiliensektor – ein Update

In der lebhaften Welt des Immobilienrechts kommt es nie zum Stillstand. Mit dieser Ausgabe gehen wir daher in die zweite Runde unseres Überblicks über die neuesten immobilienrechtlichen Entwicklungen, Entscheidungen und Beschlüsse.

Aktuelle Rechtsprechung aus dem Immobiliensektor

Abberufung eines GmbH-Geschäftsführers, Rechtsschein des Handelsregisters und Missbrauch der Vertretungsmacht

Laut einer Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 09.01.2024 – Az.: II ZR 220/22) können Dritte, solange ein Geschäftsführer im Handelsregister eingetragen ist, auf die eingetragene Vertretungsmacht vertrauen (vgl. § 15 Abs. 1 HGB). Das gilt selbst dann, wenn Vertragspartner Zweifel an der Vertretungsmacht haben könnten. Dies soll die Rechtssicherheit im Geschäftsverkehr sichern und die berechtigten Erwartungen der Vertragspartner schützen und gilt auch, wenn der Vertragspartner seine Vertretungsmacht überschritten hat. Nach Auffassung des BGH liegt der Fall jedoch anders, wenn der Vertragspartner positiv über die Entlassung des Geschäftsführers informiert ist oder wenn ein Missbrauch der Vollmacht offensichtlich ist.

Hintergrund dieser Entscheidung war, dass ein Geschäftsführer zwar wirksam abberufen, die Abberufung jedoch noch nicht im Handelsregister eingetragen war. Der „Geschäftsführer“ veräußerte trotz Abberufung den gesamten Immobilienbestand der GmbH an die Beklagte. Die GmbH verlangte nun auf dem Klageweg von der Beklagten die Zustimmung zur Löschung der für die Veräußerung eingetragenen Auflassungsvormerkung. Lesen Sie auch dazu den detaillierten Beitrag Negative Publizität des HR aus unserer April-Ausgabe.

Grundstücksräumung nach Aufhebung des Zuschlags im Zwangsversteigerungsverfahren

Einem aktuellen Beschluss des BGH vom 20.06.2024 (BGH, Beschluss vom 20.06.2024 – Az.: V ZR 153/23) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Ein Ehepaar erwarb im Zuge einer Zwangsversteigerung durch Zuschlag ein Grundstück und baute darauf ein Haus. Später stellte sich heraus, dass die Zwangsversteigerung nicht rechtens und der Erbe weiterhin Eigentümer des Grundstücks war. Dieser verlangte von den Eheleuten Herausgabe des Grundstücks, Abriss des Hauses und eine Nutzungsentschädigung. Dagegen machte das beklagte Ehepaar ein Zurückbehaltungsrecht wegen der von ihnen getätigten Verwendungen geltend. Zudem stellten sie die Eigentümerstellung des Klägers infrage.

Der Klage wurde durch das Brandenburgische Oberlandesgericht stattgegeben, ohne die Revision zuzulassen.

Der BGH gab der Nichtzulassungsbeschwerde des Ehepaars aufgrund von grundsätzlicher Bedeutung statt. Ein Termin wird voraussichtlich erst im Jahr 2025 anberaumt. Wir werden über den Ausgang des Rechtsstreits berichten.

Fehlende Baugenehmigung bei Kaufvertrag über „Wohnung“

Das OLG Frankfurt a. M. hatte über folgenden Sachverhalt zu befinden: Die Käuferin einer Wohnung klagte auf Rückabwicklung des Vertrags, nachdem sie von der fehlenden Baugenehmigung für die Wohnung erfahren hatte. Das Oberlandesgericht Frankfurt hat diese Klage unter Bezugnahme auf einen wirksamen Haftungsausschluss abgewiesen (OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 31.10.2023 – Az.: 6 U 210/22).

Das Fehlen der Baugenehmigung begründe zwar einen Sachmangel, die Käuferin habe aber auf Gewährleistungsrechte verzichtet. Der Verkäufer handle zudem nicht arglistig, da er keine Kenntnis von der fehlenden Baugenehmigung und zuvor 14 Jahre selbst dort gewohnt habe. Der Begriff „Wohnung“ beschreibe lediglich den tatsächlichen Zustand der Räume bzw. wie die Räume in der Vergangenheit verwendet wurden. Er könne aber nicht als Übernahme einer Beschaffenheitsgarantie im Hinblick auf das Bestehen einer Baugenehmigung ausgelegt werden.

Dieser Beschluss verdeutlicht die Bedeutung eines Haftungsausschlusses im Kaufvertrag und warnt Käufer davor, automatisch von einer baurechtlichen Unbedenklichkeit auszugehen.

Schenkung eines Miteigentumsanteils an Minderjährige

Ein Beschluss des BGH (BGH, Beschluss vom 18.042024 – Az.: V ZB 51/23) verdeutlicht, dass Eltern nicht verpflichtet sind, einen Ergänzungspfleger hinzuzuziehen, wenn sie einem minderjährigen Kind einen Miteigentumsanteil an einem nicht vermieteten oder nicht verpachteten Grundstück übertragen wollen. Der BGH hat bestätigt, dass solch ein Erwerb ohne zusätzliche vertragliche Bindungen im Sinne des § 107 BGB lediglich rechtlich vorteilhaft ist.

Das Grundbuchamt verweigerte die Eintragung in das Grundbuch aufgrund einer fehlenden vormundschaftlichen Genehmigung durch einen Ergänzungspfleger (gem. § 1809 Abs. 1 BGB). Dieser Meinung des Grundbuchamtes folgte auch das Kammergericht und begründete dies damit, dass der Erwerb eines Miteigentumsanteils für Minderjährige nicht nur rechtlich vorteilhaft sei, sondern eine persönliche Haftung mit sich bringe, ähnlich wie beim Erwerb einer Eigentumswohnung.

Der BGH hat hingegen betont, dass das Grundbuchamt die Eintragung nicht hätte verweigern dürfen. Im Gegensatz zur Übertragung von Alleineigentum sieht der BGH die Übertragung eines Miteigentumsanteils an einen Minderjährigen nicht als rechtlich nachteilig an, selbst wenn persönliche Verpflichtungen aus § 748 BGB (Lasten- und Kostentragung) bestehen. Die Situation sei nicht mit dem Erwerb einer Eigentumswohnung durch einen Minderjährigen vergleichbar, da das Schutzbedürfnis des Minderjährigen beim Erwerb eines Miteigentumsanteils an einem Grundstück erheblich geringer sei. Typischerweise werden solche Anteile innerhalb der Familie übertragen, sodass eine Inanspruchnahme zwischen den Miteigentümern unwahrscheinlich sei.

Rechtsprechung aus dem Mietrecht

Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter rechtfertigt keine fristlose Kündigung

Der BGH hat entschieden, dass die bloße Zerrüttung des Verhältnisses zwischen Mieter und Vermieter ohne Pflichtwidrigkeit des Mieters keine fristlose Kündigung rechtfertigt (Urteil vom 29.11.2023 – Az.: VIII ZR 211/22).

Hintergrund der Entscheidung war ein seit zehn Jahren andauernder Streit zwischen Mietern einer Vierzimmerwohnung und ihren Vermietern. Es ging u. a. um Verstöße gegen die Hausordnung, falsche Müllentsorgung, Lärm und zugeparkte Einfahren. Nach einer Beschimpfung erstattete der Mieter Strafanzeige gegen die Vermieter. Die Vermieter kündigten daraufhin fristlos wegen Zerrüttung des Mietverhältnisses. Das Landgericht Köln und der BGH sahen dies jedoch anders: Die Mieter hätten sich nicht pflichtwidrig verhalten. Laut BGH reiche eine Zerrüttung des Mietverhältnisses allein nicht für eine fristlose Kündigung im Wohnraummietrecht aus. Dies ist bereits im Gewerbemietrecht anerkannt und wird nun auch auf Wohnraummietverhältnisse angewendet. Diese Entscheidung verdeutlicht, dass bei einem beidseitigen Anteil an der Zerrüttung des Mietverhältnisses eine außerordentliche Kündigung des Wohnraummietverhältnisses mangels fehlenden wichtigen Grundes nicht in Betracht kommt.

Keine Eigenbedarfskündigung auf angespanntem Wohnungsmarkt

Ein Urteil des LG Berlins (LG Berlin, Urteil v. 25.01.2024, Az.: 67 S 264/22) unterstreicht wieder einmal die hohe Bedeutung des Mieterschutzes in Deutschland. Vermieter müssen das Mietverhältnis trotz Eigenbedarfs fortsetzen, wenn der Mieter aufgrund des angespannten Wohnungsmarktes keine angemessene Ersatzwohnung findet und die Kündigung deshalb mit einer unangemessenen Härte verbunden ist.

Hintergrund dieses Urteils war eine Kündigung der Vermieterin wegen Eigenbedarfs, da sie aufgrund eines Jobwechsels in ihrer Berliner Wohnung leben wollte. Der Mieter widersprach, da er keinen Ersatzwohnraum zu angemessenen Bedingungen fand. Daraufhin verklagte die Vermieterin den Mieter auf Räumung der Wohnung. Das LG Berlin hat die Kündigung zwar als formell wirksam angesehen, die Räumungsklage jedoch abgelehnt und eine Fortsetzung des Mietverhältnisses für zwei Jahre angeordnet. Dies wurde mit der Wohnungsmarktsituation begründet. Der Berliner Wohnungsmarkt habe eine niedrige Leerstandsquote von 0,3 Prozent, hohen Bevölkerungszuwachs und wenig Sozialwohnungen. Ein Sachverständiger bestätigte die schwierige Wohnraumsituation. Zudem überwiege das Interesse des Mieters, nicht wohnungslos zu werden, das Eigeninteresse der Vermieterin.

Dieses Urteil hat eine hohe Bedeutung im Hinblick auf viele Großstädte in Deutschland. Vermieter in Städten mit angespanntem Wohnungsmarkt müssen damit rechnen, dass Gerichte die Fortsetzung von Mietverhältnissen anordnen, wenn Mieter nachweisen können, dass sie sich ausreichend um Ersatzwohnraum bemüht haben.

Ausblick auf die Gesetzgebung

Der Bundestag hat am 04.07.2024 den Gesetzesentwurf der Bundesregierung „zur Zulassung virtueller Wohnungseigentümerversammlungen, zur Erleichterung des Einsatzes von Steckersolargeräten und zur Übertragbarkeit beschränkt persönlicher Dienstbarkeiten für Erneuerbare-Energien-Anlagen“ in der vom Rechtsausschuss geänderten Fassung angenommen.

Das Gesetz regelt, dass Wohnungseigentümerversammlungen künftig mit einem Quorum von drei Vierteln der Eigentümer auch online abgehalten werden können. Die konkrete technische Durchführung und die Festlegung der Rahmenbedingungen obliegen dabei den Wohnungseigentümern selbst. Diese Neuerung könnte für viele Wohnungseigentümer mehr Flexibilität bedeuten, um ihre Mitgliedschaftsrechte wahrzunehmen. Die positiven Erfahrungen aus dem GmbH- und Aktienrecht deuten darauf hin, dass die Möglichkeit zur Online-Teilnahme an Versammlungen in der Regel gut angenommen wird.

Die Installation von Balkonkraftwerken soll künftig ebenfalls leichter werden. Im Zuge der Gesetzesnovelle wurden sogenannte Steckersolargeräte, die es ermöglichen, auf Balkonen, Terrassen oder Garagendächern eigenen Solarstrom zu erzeugen, in den Katalog der privilegierten Maßnahmen aufgenommen. Diese kleinen Photovoltaiksysteme, auch als „Plug & Play“-Solaranlagen oder Balkonkraftwerke bekannt, lassen sich beispielsweise an Balkonbrüstungen montieren. Dadurch haben Mieter und Wohnungseigentümer nun einen rechtlichen Anspruch auf die Genehmigung solcher Geräte, was bedeutet, dass Vermieter und Wohnungseigentümergemeinschaften bauliche Veränderungen in diesem Zusammenhang nicht mehr ohne wichtigen Grund ablehnen dürfen. Bisher war für den Einbau von Balkonkraftwerken die ausdrückliche Zustimmung des Vermieters oder – im Falle von Wohnungseigentümern – die Genehmigung der Eigentümergemeinschaft notwendig.

Fazit

Die aktuellen Entscheidungen und Beschlüsse im Immobilien- und Mietrecht verdeutlichen den hohen Stellenwert von klaren Vereinbarungen, der Publizitätswirkung des Handelsregisters und vereinbarten Haftungsausschlüssen in Kaufverträgen, insbesondere bei der Übertragung von Immobilien. Im Mietrecht wird deutlich, dass die Position der Mieter vor allem auf einem angespannten Wohnungsmarkt, der derzeit in vielen Städten vorliegt, nochmals erheblich gestärkt wird. Die Gerichtsentscheidungen reflektieren die aktuellen rechtlichen Herausforderungen und Schutzbedürfnisse, die auf dem Immobilienmarkt zu bewältigen sind.

Kontaktpersonen: Karen Ishola-Allmendinger, Anna-Lena Volkmann, Jonas Reguez (Dipl. Jur. Univ.)