Hintergrund: Arbeitsvertrag im internationalen Kontext
Rechtlicher Hintergrund der Entscheidung ist, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer im internationalen Kontext, d. h. wenn eine Verbindung zum Recht verschiedener Staaten besteht, grundsätzlich selbst bestimmen können, welches Recht auf den von ihnen geschlossenen Arbeitsvertrag angewandt werden soll. Dies ergibt sich aus Art. 3 i. V. m. Art. 8 Abs. 1 Satz 1 VO (EG) 593/2008 – Letztere auch bekannt als Rom I-VO. Tun sie dies nicht, bestimmt sich das objektiv anzuwendende Recht nach den Regelungen der Rom I-VO.
Allerdings darf die Rechtswahl der Parteien nicht dazu führen, dass dem Arbeitnehmer der Schutz entzogen wird, der ihm ohne die Rechtswahl durch sog. zwingende Bestimmungen (d. h. Bestimmungen, von denen nicht durch Vereinbarung abgewichen werden darf) des objektiv anwendbaren Rechts gewährt würde (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO).
Um festzustellen, ob die Rechtswahl im Einzelfall diese Folge hat, muss zunächst das Recht bestimmt werden, das objektiv nach den Regelungen der Rom I-VO anzuwenden wäre. Ist dies ein anderes als das gewählte Recht, ist in einem zweiten Schritt zu prüfen, ob bzw. inwieweit dem Arbeitnehmer dessen zwingendes Schutzniveau entzogen wird. Hierfür ist regelmäßig ein konkreter Günstigkeitsvergleich anzustellen, nämlich zwischen den Bestimmungen des gewählten und den zwingenden, den Arbeitnehmer schützenden Bestimmungen des objektiv anwendbaren Rechts. Wird mit dem gewählten Recht das Schutzniveau des objektiven Rechts unterschritten, so gilt – punktuell – das objektive Recht. Insoweit ist die Rechtswahl der Parteien eingeschränkt.
Das BAG sagt: Günstigkeitsvergleich unter Umständen entbehrlich
Das BAG hat nun klargestellt, dass sich ein Günstigkeitsvergleich im Einzelfall dann erübrigt, wenn das objektiv anzuwendende Recht bereits zur Unwirksamkeit der maßgeblichen belastenden Vertragsklausel im Arbeitsvertrag führt.
Den Anlass hierfür gab der folgende Fall:
Sachverhalt
Der Kläger – ein deutscher Staatsangehöriger – war seit 2016 bei der Beklagten – einer irischen Fluggesellschaft – als Flugzeugkapitän beschäftigt. Er war durchgehend am Flughafen Berlin-Schönefeld stationiert, in dessen Nähe er auch seinen Wohnsitz hatte. Ausweislich des Arbeitsvertrags sollte das Arbeitsverhältnis irischem Recht unterliegen. Voraussetzung für die Berechtigung, das für ihn vorgesehene Flugzeugmuster zu führen, war der erfolgreiche Abschluss einer entsprechenden Schulung (Type-Rating-Kurs). Deren Kosten in Höhe von 25.000 EUR trug zunächst die Beklagte. Der Arbeitsvertrag enthielt jedoch eine Klausel, wonach der Kläger die Kosten ganz oder teilweise nach einer zeitabhängigen Staffelung zurückzahlen sollte, wenn das Arbeitsverhältnis innerhalb von fünf Jahren beendet würde, insbesondere sollten bei einer Kündigung innerhalb von zwei Jahren 20.000 EUR zurückgezahlt werden.
Der Kläger kündigte das Arbeitsverhältnis im Jahr 2018. Nachdem die Beklagte ihn erfolglos zur Erstattung von Schulungskosten in Höhe von 20.000 EUR aufgefordert hatte, behielt sie bei der Abrechnung der ausstehenden Vergütung insgesamt rund 17.000 EUR ein.
Mit seiner Klage machte der Kläger die Auszahlung des ausstehenden Vergütungsbetrags geltend. Er war der Auffassung, zur Rückzahlung der Schulungskosten nicht verpflichtet zu sein. Denn der Arbeitsvertrag unterliege deutschem Recht und die Rückzahlungsklausel sei hiernach unwirksam, da sie ihn unangemessen benachteilige. Somit habe die Beklagte keine aufrechenbare Gegenforderung gegen seinen Entgeltanspruch und sei verpflichtet, die einbehaltenen Beträge auszuzahlen.
Entscheidung
Wie die Vorinstanzen hat das BAG einen Auszahlungsanspruch bejaht. Die Beklagte sei nicht zur Aufrechnung berechtigt gewesen, da die Vereinbarung über die Erstattung der Schulungskosten gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam sei und somit keine aufrechenbare Gegenforderung der Beklagten bestanden habe.
Die Rückzahlungsklausel unterliege einer AGB-Kontrolle nach deutschem Recht. Ohne die getroffene Rechtswahl wäre nach Art. 8 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 4 Rom I-VO deutsches Recht anzuwenden gewesen. Nach deutschem Recht gehörten die Vorschriften über die Kontrolle allgemeiner Geschäftsbedingungen im BGB zu den Bestimmungen im Sinne des Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO, die ungeachtet der von den Parteien getroffenen Rechtswahl Geltung beanspruchten, denn sie enthielten zwingendes Recht, das – auch – dem Schutz des Arbeitnehmers diene.
Zwar sei im Allgemeinen ein Günstigkeitsvergleich der fraglichen Rechtsordnungen vorzunehmen. Ein solcher erübrige sich jedoch, wenn die den Arbeitnehmer belastende Vertragsklausel bereits – wie vorliegend aufgrund der zwingenden AGB Kontrolle – nach dem objektiv anwendbaren Recht unwirksam sei. Denn Art. 8 Abs. 1 Satz 2 Rom I-VO etabliere ein Schutzniveau, das von dem Recht, das die Parteien für ihr Vertragsverhältnis gewählt haben, nicht unterschritten werden könne. Diese Voraussetzungen seien hier erfüllt. Insbesondere sei die Rückzahlungsregelung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Denn eine Klausel, die den Arbeitnehmer auch in den Fällen zur Erstattung von Schulungskosten verpflichtet, in denen der Grund für die Eigenkündigung aus der Sphäre des Arbeitgebers stammt, benachteilige den Arbeitnehmer entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen (vgl. BAG, Urteil vom 18.03.2014 – Az.: 9 AZR 545/12).