Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Vergütung des Klägers als freigestelltes Betriebsratsmitglied. Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1984 beschäftigt, seit 2002 ist er freigestelltes Mitglied des Betriebsrats. Die Beklagte vergütete den Kläger nach Entgeltgruppe 13 des Tarifsystems. Unter Hinweis auf die Entwicklungen der Vergütung vergleichbarer Arbeitnehmer passte die Beklagte die Vergütung regelmäßig an und gruppierte den Kläger zuletzt mit Wirkung zum 01.01.2015 in die Entgeltgruppe 20 ein. Im Oktober 2015 bot die Beklagte dem Kläger konkret eine Stelle als Fertigungskoordinator gemäß Entgeltgruppe 20 an. Intern galt der Kläger als Idealbesetzung. Aufgrund seiner Betriebsratstätigkeit bewarb sich der Kläger jedoch nicht.
Im Nachgang zur Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 10.01.2023 – Az.: 6 StR 133/22) überprüfte die Beklagte die Vergütungen aller freigestellten Betriebsratsmitglieder. Denn nach Auffassung des BGH kann es eine Untreue nach § 266 StGB darstellen, wenn die Geschäftsleitung unter Verstoß gegen das betriebsverfassungsrechtliche Begünstigungsverbot (§ 78 Satz 2 BetrVG) einem Mitglied des Betriebsrats ein überhöhtes Arbeitsentgelt gewährt. Im Rahmen dieser Überprüfung setzte die Beklagte die Vergütung des Klägers von Entgeltgruppe 20 auf Entgeltgruppe 18 herab und verlangte die Rückzahlung der von Oktober 2022 bis Januar 2023 zu viel gezahlten Vergütung. Die Beklagte begründete die Herabsetzung damit, dass sie eine Gruppe vergleichbarer Arbeitnehmer gebildet habe und die Karriereentwicklung des Klägers nicht mit der Medianentwicklung innerhalb dieser Vergleichsgruppe korrespondiere. Die aktuelle Vergütung des Klägers entspreche daher nicht seiner hypothetischen Karriereentwicklung.
Dagegen wehrte sich der Kläger. Der Kläger sieht in den Mitteilungen der Beklagten über die Anpassung der Vergütung eine vertragliche Vereinbarung. Die Beklagte könne die Vergütung daher nicht einseitig anpassen und den Kläger im Tarifsystem herabstufen.
Entscheidung
Das LAG Niedersachen ist der vorhergehenden Entscheidung des ArbG Braunschweig gefolgt, indem es dem Kläger einen ungekürzten Anspruch auf die Vergütung gemäß Entgeltgruppe 20 zusprach. Der Kläger habe einen Anspruch auf Vergütung gemäß Entgeltgruppe 20 aus § 611a Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 78 Satz 2 BetrVG. Danach darf der Arbeitgeber ein Betriebsratsmitglied wegen seiner Amtstätigkeit nicht in seiner beruflichen Entwicklung benachteiligen. Folglich kann ein Betriebsratsmitglied den Arbeitgeber unmittelbar auf Zahlung der höheren Vergütung in Anspruch nehmen, wenn es wegen des Betriebsratsamts nicht in eine Position mit höherer Vergütung gelangt ist. Der Kläger trage aber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass er ohne sein Amt die Position als Fertigungskoordinator übertragen bekommen und übernommen hätte.
Dies steht nach der Überzeugung des LAG Niedersachsen fest. Dass die Beklagte dem Kläger in der Vergangenheit regelmäßig die Anpassungsentscheidung zur Betriebsratsvergütung mitgeteilt und dementsprechend zuletzt die Vergütung der Entgeltgruppe 20 geleistet habe, begründe weder eine vertragliche Vereinbarung der Parteien über die Vergütung, noch folge daraus, dass die Beklagte nach den Grundsätzen der korrigierenden Rückgruppierung darlegungs- und beweispflichtig wäre. Allerdings habe die Beklagte zielgerichtet dem Kläger die Stelle als Fertigungskoordinator angeboten. Der für die Stellenbesetzung verantwortliche Mitarbeiter habe den Kläger über das bloße Angebot hinaus als „Idealbesetzung“ bezeichnet. Zugleich habe der Kläger überzeugend und unbestritten vorgetragen, das Stellenangebot abgelehnt zu haben, weil er unmittelbar zuvor Vorsitzender des Fachausschusses eines Werks und des entsprechenden Ausschusses des Gesamtbetriebsrats geworden sei.