Business Meeting hinter Glaswand

Verhinderung der Paralleleinfuhr von Videospielen durch Geoblocking – Kartellrecht schlägt IP-Rechte


  • Das Gericht der EU (im Folgenden kurz „EuG“) hat sich mit seiner Entscheidung vom 27.09.2023 (Rs. T-172/21) auf die Seite der Europäischen Kommission geschlagen und einen Kartellrechtsverstoß durch Geoblocking bestätigt.
  • Im Vertriebsverhältnis vereinbartes Geoblocking, mit dem ein grenzüberschreitender Absatz von Produkten verhindert werden soll, ist kartellrechtswidrig.
  • IP-Rechte können insoweit nicht zur Rechtfertigung eines Verhaltens herangezogen werden, das geeignet ist, zu künstlichen Preisunterschieden zwischen abgeschotteten nationalen Märkten zu führen.

Der Begriff „Geoblocking“ ist im EU-Recht spätestens seit dem Inkrafttreten der Geoblocking-Verordnung (EU) 2018/302 im Jahr 2018 bekannt. Mit der vorgenannten Verordnung sollen ein ungerechtfertigtes Geoblocking und andere Formen der Diskriminierung bei Online-Käufen auf der Grundlage der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Ortes der Niederlassung der Kunden innerhalb des Binnenmarktes verhindert werden. Die Verordnung definiert Geoblocking als das Sperren oder Beschränken des Zugangs zu einer Online-Benutzeroberfläche (z. B. Internetseiten oder Anwendungen) durch einen in einem EU-Mitgliedstaat tätigen Anbieter für Kunden aus anderen Mitgliedstaaten, die grenzüberschreitende Geschäfte tätigen wollen. Gleichzeitig wird in der Geoblocking-Verordnung klargestellt, dass sie die Anwendung des EU-Kartellrechts unberührt lässt. Das bedeutet, dass bestimmte als „Geoblocking“ bezeichnete Verhaltensweisen von Unternehmen immer auch rein kartellrechtlich bewertet werden können. Die vorliegende Entscheidung betrifft einen solchen Sachverhalt, der nicht nach der (zeitlich und sachlich ohnehin nicht anwendbaren) Geoblocking-Verordnung, sondern nach dem EU-Kartellrecht bewertet wurde.

Der Fall

Die Betreiberin der Online-Spiele-Plattform Steam, Valve, hatte mit fünf PC-Videospielverlegern (im Folgenden kurz „Verleger“) Verträge abgeschlossen, damit diese ihre Spiele auf der Plattform anbieten konnten. Kauften Kunden nun bei unabhängigen Händlern die entsprechenden Spiele und wollten sie diese auf der Plattform spielen, so mussten die Spiele zunächst über einen Code (im Folgenden kurz „Schlüssel“) aktiviert werden.

Das Geoblocking bestand im Wesentlichen darin, dass die betreffenden Spiele nur in bestimmten Territorien aktiviert und zusätzlich in manchen Fällen sogar nur in bestimmten Territorien gespielt werden konnten. Valve hatte die Schlüssel als eine Möglichkeit beworben, um Parallelimporte aus Ländern, in denen die Spiele günstiger verkauft werden, zu verhindern. Als die Verleger entsprechende Schlüssel für bestimmte Spiele verlangten, erklärte sich Valve damit einverstanden und stellte diese Schlüssel zur Verfügung.

Nur scheinbar einseitiges Handeln der Verleger

Das EuG hob zunächst hervor, dass das Verhalten von Valve und den Verlegern entweder als Vereinbarung oder als abgestimmtes Verhalten unter das Kartellverbot fällt. Es habe sich keinesfalls bloß um (echtes) unilaterales Verhalten der Verleger gehandelt, als diese von Valve die entsprechenden Schlüssel verlangten und damit ausgestattet worden seien. Damit betont das EuG das in der Entscheidungspraxis des EuGH etablierte Konzept, wonach eine Vereinbarung oder ein abgestimmtes Verhalten eben auch dann vorliegt, wenn eine Partei stillschweigend einem kartellrechtswidrigen Ansinnen einer anderen Partei zustimmt, etwa indem dieses Ansinnen (hier durch eine Lieferung der geforderten Schlüssel) unterstützt und nicht dagegen protestiert wird. Hinzu kommt, dass vorliegend weder Valve noch die jeweiligen Verleger das betreffende Geoblocking durch die Schlüssel ohne den jeweiligen anderen Vertragspartner allein hätten umsetzen können. Damit lag die für eine Vereinbarung bzw. für ein abgestimmtes Verhalten erforderliche Willensübereinstimmung vor.

Beschränkung von Parallelimporten als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung

Diese Vereinbarung bzw. dieses abgestimmte Verhalten von Valve und den Verlegern wurde vom EuG als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung eingestuft. Denn schließlich bezweckten Valve und die Verleger mit den Schlüsseln, Parallelimporte bzw. den passiven Verkauf der betreffenden Spiele zu beschränken. Diese Einstufung ist nachvollziehbar, beabsichtigten Valve und die Verleger doch, die unabhängigen Händler – zumindest mittelbar – darin zu beschränken, die Spiele an interessierte Kunden außerhalb der für die jeweiligen Schlüssel vorgesehenen Territorien zu verkaufen.

Insoweit half es Valve und den Verlegern auch nicht, dass die Schlüssel erst auf einer nachgelagerten Vertriebsebene – nämlich im Verhältnis der unabhängigen Händler zu den Endkunden – relevant wurden. Das wäre auch nur die halbe Wahrheit gewesen, da nach der Einschätzung des EuG bereits Händler aus anderen Mitgliedstaaten aufgrund der Schlüssel praktisch daran gehindert wurden, die betreffenden Spiele zu erwerben. Die betreffenden Spiele wären in ihrem jeweiligen Mitgliedstaat nämlich schlicht nicht zum Weitervertrieb an Endkunden verwendbar gewesen. Schließlich ist laut dem EuG bereits das „bloße“ Ziel, den Parallelhandel im Binnenmarkt zu beschränken, als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung zu qualifizieren. Auf die tatsächlichen Auswirkungen der vereinbarten Wettbewerbsbeschränkung kommt es dann ohnehin nicht mehr an.

IP-Rechte und Geoblocking

Das EuG stellte auch klar, dass das Copyright der Verleger an den betreffenden Videospielen keinesfalls die Anwendung des Kartellverbots auf den vorliegenden Fall (bzw. die Kategorisierung des betreffenden Verhaltens als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung) ausschließt. Das Copyright garantiere dem Rechtsinhaber nämlich nicht die Möglichkeit, die höchstmögliche Vergütung für sein Produkt zu verlangen oder ein Verhalten an den Tag zu legen, das geeignet sei, künstliche Preisunterschiede zwischen abgeschotteten nationalen Märkten herbeizuführen. Vorliegend sei es den Verlegern nicht darum gegangen, ihre Copyrights zu schützen, sondern Parallelimporte ihrer Spiele zu verhindern.

Fazit

Der Fall verdeutlicht zunächst, dass unter den Begriff des Geoblockings auch ein Verhalten fallen kann, das im Ergebnis eine bezweckte Wettbewerbsbeschränkung darstellt. Um zu dieser Einschätzung zu gelangen, muss auch nicht gleichzeitig der Anwendungsbereich der Geoblocking-Verordnung eröffnet sein. Des Weiteren hat das EuG den Fall genutzt, um echtes unilaterales Verhalten von nur scheinbar unilateralem Verhalten abzugrenzen. Letzteres fällt unter das Kartellverbot, wie der EuGH insbesondere in seiner bekannten Bayer-Adalat-Entscheidungspraxis für den Pharmabereich betont hat. Schließlich sollten Unternehmen nicht davon ausgehen, dass sie als Inhaber von IP-Rechten stets vor Kartellrechtsverstößen gefeit sind. Der vorliegende Fall ist ein Beispiel dafür, dass ein Konflikt zwischen Kartellrecht und IP-Rechten durchaus zugunsten des Anwendungsanspruchs des Kartellrechts ausgehen kann.

Kontaktperson: Dr. Nils Gildhoff, LL.M.